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KI-Boom: Wo ist das Geschäftsmodell, wo bleiben die Gewinne?

Wie ein „Spritzer kaltes Wasser ins Gesicht“ wirkte laut Steve Sosnick, dem Chefstrategen von Interactive Brokers, zuletzt die Studie des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), nach der 95 Prozent der untersuchten KI-Anwendungen in Firmen bisher keinen messbaren Beitrag zum Gewinn leisten. Die Studie hat in den USA gerade „zu einer Phase der Rückbesinnung geführt, dass hohe Investitionen in KI nicht uneingeschränkt gut sein müssen“.

Wo ist das Geschäftsmodell, wo bleiben die Gewinne?

Jede neue Technologie, die in den vergangenen 20 Jahren das Licht der Welt erblickte, musste sich früher oder später die Frage gefallen lassen: Steckt dahinter nicht eine große Seifenblase, die früher oder später zerplatzen wird? Im laufenden Jahr werden die Investitionsausgaben der sechs größten Tech-Konzerne laut Bloomberg 360 Milliarden US-Dollar übertreffen – eine Steigerung von mehr als 100 Prozent im Vergleich zu 2023. Diese Summe entspricht den Militärausgaben aller EU-Staaten im vergangenen Jahr. Das Geld der Tech-Konzerne fließt hauptsächlich in KI-Entwicklung und die dafür erforderliche Infrastruktur, also auch in Rechenzentren und Hochleistungschips.

Diese nur noch schwer nachvollziehbaren Investitionen in die Weiterentwicklung und Nutzung der KI-Sprachmodelle, sowie die horrenden Investitionen in digitale Infrastrukturen (Rechenzentren) und Personal (Verträge mit Spitzenkräften übersteigen mittlerweile die 100-Millionen-US-Dollar-Grenze) erinnern an den entfesselten Hype zu Beginn der 2000er Jahre, bevor die Dotcom-Blase platzte.

Die Fragen, die sich immer mehr aufdrängen:

· Winner takes all: Sind die LLMs nicht eine klassische Winner-takes-all-Technologie und steht mit OpenAI der Gewinner nicht längst schon fest?

· Kein Geschäftsmodell: Wo ist das Geschäftsmodell für KI und warum wurde nicht längst ein KI-Endgerät vorgestellt?

· Rekordabschreibungen: Wie und wann sollen hieraus Gewinne entstehen? Analysten prophezeien Amazon, Google, Meta und Microsoft Rekordabschreibungen auf KI-Investitionen. Die Bewertungen haben den üblichen Bezug zu Kennzahlen wie Umsatz oder Gewinn längst verloren.

· Falscher Fokus? Ist der Fokus auf die smarten Sprachmodelle nicht ein epochaler Irrtum? Viele der Milliarden, die heute in die kommerzielle KI-Entwicklung fließen, werden verschwendet sein, prognostiziert auch der KI-Forscher Henry Kautz, ehemaliger Präsident der Association for the Advancement of Artificial Intelligence (AAAI) gegenüber dem Handelsblatt. Es würden „nahezu identische Systeme auf der Grundlage von Technologien entwickelt, die bald veraltet sein werden“.

MIT-Studie weist auf eine fatale „Lernlücke“ hin

Das MIT hat kürzliche eine Studie vorgelegt, die zusätzlich skeptisch macht. „The GenAI Divide: State of AI in Business 2025“, ein neuer Bericht der NANDA-Initiative des MIT, zeigt, dass generative KI zwar vielversprechend für Unternehmen ist, die meisten Initiativen zur Förderung schnellen Umsatzwachstums jedoch wirkungslos bleiben.

Das zentrale Problem laut Studie: Nach wie vor können Unternehmen – für die Steigerung ihrer Wertschöpfung - nicht wirklich etwas anfangen mit Chat-GPT und anderen Sprachmodellen. Die Integration in die Arbeitsabläufe fällt immer noch schwer. Trotz des Eifers, leistungsfähige neue Modelle in die betrieblichen Abläufe zu integrieren, erzielen nur fünf Prozent der KI-Pilotprogramme eine schnelle Umsatzsteigerung; die große Mehrheit stagniert und hat wenig bis keine messbaren Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung.

Die MIT-Untersuchung, die auf 150 Interviews mit Führungskräften, einer Umfrage unter 350 Mitarbeitern und einer Analyse von 300 öffentlichen KI-Bereitstellungen zurückgreifen konnte, benennt klar, wo der Unterschied zwischen Erfolgsgeschichten und ins Stocken geratenen Projekten liegt: Es ist nicht primär die Qualität der KI-Modelle, sondern die „Lernlücke“ sowohl bei den Tools als auch bei den Organisationen. Während Führungskräfte oft Regulierungen oder die Modellleistung dafür verantwortlich machen, deutet die Untersuchung des MIT auf eine mangelhafte Unternehmensintegration hin.

Vereinfacht gesagt: Generische Tools wie ChatGPT eignen sich aufgrund ihrer Flexibilität hervorragend für den Privatgebrauch, bleiben aber im Unternehmenseinsatz stecken, da sie nicht aus Arbeitsabläufen lernen oder sich an diese anpassen können.

„Das machen wir schnell selbst“ ist der falsche Ansatz

Interessant ebenfalls: Die Daten, auf die die MIT-Forscher schauten, belegen, dass bei vielen Unternehmen aktuell eine Fehlausrichtung bei der Ressourcenzuweisung stattfindet. Mehr als die Hälfte der Budgets für generative KI fließt in Vertriebs- und Marketingtools. Dagegen sieht das MIT das größte Wertversprechen von KI in der Backoffice-Automatisierung, der Eliminierung des Outsourcings von Geschäftsprozessen und der Kostensenkung externer Agenturen.

Und ein weiterer Faktor sollte von Unternehmen beachtet werden. Die Angst vor Datenklau im Betrieb und die so smart daherkommenden Sprachmodelle haben viele, auch größere Unternehmen veranlasst zu denken: Das machen wir schnell selbst. Wie Unternehmen KI einführen, ist also entscheidend. Der Kauf von KI-Tools von spezialisierten Anbietern und der Aufbau von Partnerschaften sind der Studie zufolge in etwa 67 Prozent der Fälle erfolgreich, während interne Entwicklungen nur ein Drittel so oft erfolgreich sind.

Besonders relevant ist dieser Befund für Finanzdienstleistungen und andere stark regulierte Sektoren, in denen viele Unternehmen im Jahr 2025 ihre eigenen proprietären generativen KI-Systeme entwickeln. Die Forschung des MIT legt eindeutig nahe, dass Unternehmen deutlich mehr Misserfolge verzeichnen, wenn sie im Do-it-yourself-Verfahren vorgehen. Die befragten Unternehmen zögerten oft, ihre Misserfolgsraten offenzulegen.

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