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Steht Microsoft kurz vor der Entwicklung eines medizinischen Superhirns?

Viermal sicherer und sorgfältiger als menschliche Expertise soll die neue Superintelligenz aus dem Hause Microsoft Diagnosen erstellen. Das Microsoft-Team verwendete 304 Fallstudien aus dem New England Journal of Medicine, um einen Test namens „Sequential Diagnosis Benchmark“ zu entwickeln. Der Test funktioniert: Ein KI-Sprachmodell zerlegte jeden Fall in einen schrittweisen Prozess, den ein Arzt durchführen würde, um eine Diagnose zu stellen.

 

Das Spannende an der Methode: Die Forscher von Microsoft entwickelten anschließend ein System namens MAI Diagnostic Orchestrator (MAI-DxO), das mehrere führende KI-Modelle – darunter GPT von OpenAI, Gemini von Google, Claude von Anthropic, Llama von Meta und Grok von xAI – auf eine Weise abfragt, die die Zusammenarbeit mehrerer menschlicher Experten nachahmt. Das bemerkenswerte Ergebnis: Im Experiment übertraf MAI-DxO die Leistung menschlicher Ärzte und erreichte eine Genauigkeit von 80 Prozent, während die Ärzte nur auf 20 Prozent kamen. Durch die Auswahl weniger kostenintensiver Tests und Verfahren konnten zudem die Kosten um 20 Prozent gesenkt werden.

 

Ein hyperintelligentes „Diagnose-Orchester“ für mehr Genauigkeit

 

Eben so simpel wie faszinierend: Mittels künstlicher Intelligenz wird ein vielstimmiges Analyse-Orchester angestimmt, was dazu führt, dass die Diagnosen dramatisch präziser und günstiger ausfallen, als das bei menschlichen „Superhirnen“ der Fall wäre. 

 

Nach wie vor bleiben die Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von KI in der medizinischen Forschung und Versorgung bestehen. KI wird auf vielen Gebieten des Gesundheitswesens bereits eingesetzt, unter anderem bei der Interpretation von Scans durch Radiologen. Die neuesten multimodalen KI-Modelle könnten als allgemeinere Diagnoseinstrumente dienen. Allerdings bringt der Einsatz von KI im Gesundheitswesen auch spezifische Probleme mit sich, insbesondere im Zusammenhang mit der Verzerrung von Trainingsdaten, die auf bestimmte demografische Gruppen und Ethnien zugeschnitten sind.  

 

Momentan sind zwei Geschäftsmodelle vorstellbar 

 

Und wo kann man das medizinische Superhirn kaufen? Einstweilen (und vorausgesetzt, das Modell funktioniert, wie von Microsoft blumig beschrieben) werden intern zwei Geschäftsmodelle diskutiert: Microsoft könnte das medizinische Superhirn in die Suchmaschine Bing integrieren, um Nutzer:innen bei der Diagnose von Krankheiten zu helfen. Der Konzern könnte jedoch auch Tools entwickeln, die medizinischen Experten helfen, die Patientenversorgung zu verbessern beziehungsweise zu automatisieren.

 

Das Projekt ist das jüngste einer wachsenden Zahl von Forschungsarbeiten, die zeigen, wie KI-Modelle Krankheiten diagnostizieren können. In den letzten Jahren haben sowohl Microsoft als auch Google Arbeiten veröffentlicht, die zeigen, dass große Sprachmodelle eine Krankheit präzise diagnostizieren können, wenn sie Zugriff auf medizinische Daten haben.

 

Die neueste Microsoft-Forschung unterscheidet sich von früheren Arbeiten dadurch, dass sie die Art und Weise, wie Ärzte Krankheiten diagnostizieren, genauer nachbildet – durch die Analyse von Symptomen, die Anordnung von Tests und die Durchführung weiterer Analysen, bis eine Diagnose gestellt ist.

 

Fazit

 

Trotz aller Euphorie sind die Ergebnisse von Microsoft mit Vorsicht zu genießen, da die Ärzte in der Studie gebeten wurden, keine zusätzlichen Hilfsmittel zur Diagnose zu verwenden, was möglicherweise nicht ihrer tatsächlichen Arbeitssituation entspricht. Die an der Studie beteiligten Ärzte, darauf weisen Experten hin, könnten Faktoren berücksichtigt haben, die die KI nicht berücksichtigen konnte, wie etwa die Verträglichkeit eines Eingriffs durch den Patienten oder die Verfügbarkeit eines bestimmten medizinischen Instruments. Außerdem ist noch nicht belegt, ob das KI-System die Kosten in der Praxis tatsächlich deutlich senkt.