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Weswegen Resilienz keine Floskel, sondern eine der intelligentesten Produktivkräfte der Zukunft ist

Einzelne Unternehmen wie auch ganze Branchen oder Gesellschaften sind komplexe adaptive sozio-technische Systeme. Wenn diese Systeme wie in der aktuellen Lage der globalen Multikrise zusammenbrechen, braucht es Resilienzmaßnahmen. Es ist aber gar nicht so einfach, diese Immunsysteme für Wirtschaft und Gesellschaft zu bauen. 

 

Aber was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff der Resilienz? Warum hantieren alle mit ihm herum? Warum benutzen ihn mittlerweile auch Fußballtrainer („mehr Resilienz in der Verteidigung“), wo früher einfach „Kämpfen!“ gebrüllt wurde?

 

Eine brauchbare Definition für Resilienz kommt aus der Psychologie und meint mit Resilienz die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen, Schocks und Störungen. Im Nachgang zu COVID, dem sich beschleunigenden Klimawandel und Putins Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 hat Resilienz eine beachtliche Karriere in Ökonomie, Geostrategie und Politik gemacht. Resilienzmaßnahmen, so der Eindruck, sind angesichts der globalen Multikrise das Mittel der Wahl. 

 

In der Technikwelt spielt Resilienz schon länger eine Rolle und wird dort ganz einfach definiert: Resiliente technische Systeme sollten grundsätzlich über die sogenannten „vier R's“ verfügen: Sie besitzen ein hohes Maß an Robustheit, ausreichende Redundanzen sowie im System verteilte und vernetze Ressourcen, um auf Schocks reagieren zu können und ihre Funktionalität zeitnah wiederherzustellen.

 

Resilienz: Keine Patentrezepte sondern Adaption und Transformation

 

In Wirtschaft und Gesellschaft sind Resilienzmaßnahmen nicht ganz so einfach zu definieren. Resilienz in gesellschaftlichen und ökonomischen Krisenlagen kann Lösungen bei hochkomplexen Fragestellungen liefern. Dabei setzt Resilienzdenken keine verallgemeinerbaren Methoden ein, sondern passt sich der jeweiligen Fragestellung, den jeweiligen Krisenlagen an. Herkömmliche Strategien der Deeskalation, des Risikomanagements oder der Diplomatie scheitern immer häufiger, denn wenn jede größere Krise in der Welt individuell und unvorhersehbar ist, gibt es grundsätzlich keinen Maßnahmenplan oder eine verbindliche Methode. Sollen resiliente Prozesse gelingen, muss 1. eine Anpassung an die aktuelle Krisensituation (in einem militärischen Krisengebiet, in einer Abteilung eines großen Unternehmens oder in einem Landkreis nach einem Starkregenereignis) stattfinden und 2. eine Transformationsstrategie für die Zukunft entwickelt werden. 

 

Beispiel Klimakrise: Resilient zu sein bedeutet in diesem Zusammenhang, sich an die veränderten klimatischen Bedingungen des Planeten anzupassen, aber gleichzeitig auch die Transformation wichtiger sozio-technischer Systeme (unter anderem der Energieversorgung, der Mobilitätssysteme und der Nahrungsmittelproduktion) einzuleiten, um die globale Erwärmung zu begrenzen.

 

Resilienz: Vernetzung, Diversität, Institutionen

 

Neben Adaption und Transformation sind für Resilienzsysteme noch weitere Eigenschaften wichtig: Untersuchungen insbesondere zur Resilienz von Wirtschaftsregionen haben gezeigt, dass ökonomische Systeme dann besonders gut mit Irritationen umgehen können, wenn sie eng vernetzt sind, ein hohes Maß an Diversität besitzen sowie über leistungsfähige politische Institutionen verfügen. Ökonomische Strukturen werden dann sicherer, krisenresistenter und zukunftsfähiger, wenn alle Akteure enger vernetzt sind, es eine Vielfalt an Angeboten, Ideen und Perspektiven gibt und politische Institutionen einen Handlungsrahmen setzen, ihrerseits selbst Ressourcen und Ideen einbringen und idealerweise in Vorlaufforschung investieren.

 

Was das Konzept der Resilienz in der aktuellen Lage so vielversprechend macht, ist darüber hinaus, dass es auf Lerneffekten basiert, zu Partizipation auffordert und kollektive Bindungseffekte erzeugt. Das ist der Grund dafür, dass Resilienzmaßnahmen zurzeit bevorzugt auch auf regionaler und lokaler Ebene in Städten und Landkreisen als Zukunftstool eingesetzt wird. 

 

Antizipationskompetenz im Zentrum resilienter Prozesse

 

Wer für Resilienz in seinen Projekten sorgen möchte, der sollte zuallererst auch zu Lernprozessen anregen und Partizipation stärken. Finden vor Ort Lernprozesse statt (um eine Krise zu bewältigen, um Missstände zu beheben, um einen Streit zu schlichten...), nimmt, das zeigen Studien, die Aufnahmefähigkeit für externe Impulse zu. Darüber hinaus lässt sich dadurch eine enge unmittelbare Abhängigkeit von externen Systemen verhindern, wenn Innovationssysteme aus sich heraus in der Lage sind, diverse lokale Innovationen zu generieren.

 

Ein letzter Baustein, der für Resilienzmaßnahmen unverzichtbar erscheint, ergibt sich auch den oben genannten Eigenschaften: Resilienz braucht möglichst gute Frühwarnsysteme, Resilienz ist ohne Trend- und Zukunftsforschung eigentlich nicht vorstellbar. Die Forscher von Fraunhofer nennen das auch „Förderung von Antizipation“. Denken in alternativen Zukunftsszenarien, Weiterdenken über den Status Quo hinaus, die Einbeziehung diverser Perspektiven auf Basis eines hohen Vernetzungsgrades, das zeichnet die Trend- und Zukunftsforschung aus und machte sie zu einem unverzichtbaren Resilienzwerkzeug. 

 

Antizipationskompetenz oder Denken in Zukünften ist entscheidend, damit Fähigkeiten weiterentwickelt werden können, die gerade in Krisensituationen, in denen etablierte Erwartungen abrupt durchkreuzt werden, elementar sind, um schnell neue Strukturen ausbilden zu können. Denken in Zukunftsszenarien ist für dieses Weiterdenken der Infrastrukturen in die Zukunft hinein unabdingbar.