
Technofeudalismus, AI-Toritarismus oder digital-autoritärer Kapitalismus – SocialMedia sind keine neutralen Medien, sie zerstören die Demokratie und wirken bei uns wie andere Rauschmittel.
Lange Zeit haben wir die Drogenmetapher, bezogen auf die sogenannten sozialen Medien und das Internet, für alarmistisch und übertrieben gehalten. Spätestens seit den Wahlbeeinflussungen vor der Trumpwahl 2016 merken wir: Mit den SocialMedia haben wir eine supranationale Maschine geschaffen (und füttern sie mit unseren persönlichen Daten), die Demokratie zersetzt und unseren eigenen Seelenfrieden aufs Spiel setzt.
In einem bemerkenswerten Interview mit Andrian Kreye hat sich der Medienphilosoph Paul Feigelfeld zur Zukunft und dem Suchtpotenzial der sozialen Medien sowie der von US-Konzernen beherrschten Internetinfrastruktur geäußert.
Ich greife fünf Punkte dieses lesenswerten Gesprächs heraus:
1.
Warum SocialMedia als Drogen bezeichnet werden können: Oder ist die Drogenanalogie bezüglich des Internets doch leicht überzogen? Feigelfeld beginnt mit einer simplen begrifflichen Analogie und weist darauf hin, dass der Begriff des „Users“ sonst nur im Kontext von Drogenmissbrauch verwendet werde. Er rückt das in einen größeren Zusammenhang. Für ihn ist wichtig, dass Drogen die Menschheit immer begleitet haben, obwohl sie eindeutige Gefahren aufweisen. Für SocialMedia und Internet beobachtet Feigelfeld eine analoge Nutzungsform: „Als Menschheit sind und bleiben wir für beides anfällig. Das Ausmaß der Sucht und der gesundheitliche und psychische Schaden jedoch kann durch Aufklärung und die richtigen Gesetze verringert werden.“
2.
Unsere Naivität und die gefährlich dumme Gadgets: Auf eine Rückfrage von Kreye („Auf anderen Gebieten verhält sich die Gesellschaft schon bewusster. Die meisten haben das Rauchen aufgehört, essen kein Fleisch mehr und weniger Zucker. Warum sind wir im digitalen Raum so bockig, so unvernünftig?“) antwortet Feigelfeld mit der eigenen „User-Experience“: „Na ja, zum einen, weil es geil ist. Muss man wirklich sagen. Das ist eine irrsinnig gute Droge, in all ihrer Dummheit. Schmeckt auch super. Bei Lebens- und Rauschmitteln gibt es mittlerweile Gesetze, es gibt Werbeverbote, Kennzeichnungspflichten, Qualitätsstandards. Das alles haben wir im technologischen Bereich kaum bis gar nicht.“ Unsere Naivität im digitalen Raum verknüpft sich mit jahrzehntelang kaum diskutierten Regulierungsfragen. Insbesondere die SocialMedia laufen über die privaten Infrastrukturen von BigTech, in die europäische Regulierungsinstanzen lange Zeit überhaupt keinen Einblick hatten. Es kommt hinzu, dass wir als Nutzer dem simplen Hightouch-Charme der Mobilkommunikation erlegen sind: „Auch die Dummheit der sogenannten Smartphones ist ein Problem“, so Feigelfeld weiter. Alles sei „so wahnsinnig gut gestaltet, dass es ein Kleinkind intuitiv bedienen kann und nichts mehr anderes will“, womit wir wieder bei der Drogenanalogie angekommen sind.
3.
Wir zahlen mit harter Währung - unseren persönlichen Daten: Das Gespräch macht deutlich, dass für Medienphilosoph Feigelfeld tatsächlich akuter Handlungsbedarf besteht, und zwar auf zwei Ebenen: Zum einen auf individueller Ebene, bei unserem eigenen SocialMedia-Konsum. Zum anderen sollten wir uns als Gemeinwesen endlich klarmachen, dass wir pädagogische Maßnahmen für die Nutzung von SocialMedia entwickeln müssen. Feigelfeld hebt hier noch einmal hervor, was jahrelang in unserer SocialMedia-Diskussion verdrängt wurde: Medien, insbesondere SocialMedia, sind niemals neutrale Werkzeuge. Sie dienen kommerziellen Interessen und sie dienen politisch-ideologischen Interessen.
Zurecht greift Feigelfeld hier zu martialischem Vokabular: „Wir müssen uns dringend überlegen, wie wir uns schützen können. Das ist ja schon so eine wehrhafte Sprache – sich schützen. Während sich alle anderen aber schon kriegstauglich machen. Wir brauchen Aufklärung und Erziehung, damit wir uns bewusst werden: Wenn ich bestimmte monopolistische Tools wie Whatsapp, Facebook, oder Instagram benutze, trage ich mit dazu bei, dass eine bestimmte Politik gemacht wird, dass eine bestimmte Ideologie von diesen Infrastrukturen gestärkt wird und ich das unterstütze. Ich werde also nicht nur manipuliert, ich zahle mit meinen Daten ganz harte Währung in diese Kriegskasse ein.“ Unsere tägliche kostenlose Datenspende ist nicht nur naiv – wir unterstützen damit eine techno-autoritäres Regime, das Feigelfeld als faschistisch bezeichnet.
4.
Warum nutzen wir das Internet überhaupt noch? Anschließend geht Feigelfeld auf die Frage ein, die bereits seit Trump 1 im Raum steht: Ist es nicht an der Zeit, an einem neuen Internet zu bauen? „Wir müssen vielleicht in den sauren Apfel beißen und darüber nachdenken, ob das Internet, wie es derzeit ist, wirklich das einzige und bestmögliche ist.“ Hier geht er nicht auf das digital-autoritäre System ein, das sich anschickt, in den USA die Macht zu übernehmen. Vielmehr geht es darum, dass die Droge SocialMedia (wie andere Drogen auch) nicht das liefert, was sie verspricht. Die vielfach belächelten Influencer:innen charakterisiert Feigelfeld entsprechend als systemkonforme Akteure, deren Aufgabe unter anderem darin bestehe, die Illusion von schnell steigerbaren Reichweiten aufrechtzuerhalten: „...das, was wir zurückkriegen, (ist) deutlich geringer als das, was wir von uns geben. Die Reichweite wird oft überschätzt, die Interaktionen sinken proportional zur Zahl der Follower. Dafür wurde die Influencer-Figur erfunden. Aber das Schöne und Spannende daran ist in Wahrheit nur ein Oberflächeneffekt, der uns an der Maschine hält.“
5.
In den USA frisst das Internet gerade Staat, Wirtschaft und Gesellschaft: Ich halte den Begriff Faschismus in der SocialMedia-Debatte nach wie vor für unglücklich. Für mich verbindet sich Faschismus direkt mit Mussolinis Faschismus und dem Massenmord der Nazis. Feigelfeld beschreibt mit Faschismus jedoch erhellend, was gerade durch Trump 2 in den USA passiert: „Das ist eine technokratisch formierte, superoptimierte Idee, die sogar den Kapitalismus auffrisst und Politik im Grunde abschafft beziehungsweise durch KI ersetzt mit dem Argument der Optimierung und technisch-rationalen Gerechtigkeit.“ Während wir als Gesellschaft auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) in der nächsten Zeit aufgefordert sind, Entscheidungen zu treffen, die Konsequenzen für mehrere hundert Jahre haben könnten, sehen wir in den USA des Jahres 2025, dass sich die KI anschickt, Staat und Kapitalismus zu verschlingen.