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Sind GenZ-Frauen links? Wie der Mythos um die junge Generation entsteht

Foto: Shutterstock  GenZ-Frauen: einfach klüger - und jetzt auch noch links?
Foto: Shutterstock GenZ-Frauen: einfach klüger - und jetzt auch noch links?

Die GenZ muss gerade für vieles herhalten, was sich an Veränderungsturbulenzen abspielt. Jetzt sollen GenZ-Frauen irgendwie ziemlich links sein. Hinter der waghalsigen Hypothese verbirgt sich vor allem der besorgniserregende Tatbestand männlicher Marginalisierungsängste. Der Mythos der GenZ verhindert es, dass wir lösungsorientiert über die Zumutungen unserer veränderungsbeschleunigten Realität reden.   

 

Stimmt es, dass gerade in der GenZ ein erbitterter Geschlechterkampf tobt? Viel zu einfach gedacht. Der Diskurs wird dadurch windschief, dass mittlerweile nahezu jede normative Verschiebung in unserer Multikrisengesellschaft auf die junge Lebensstilgruppe projiziert wird. Ob Gendern, 4-Tage-Woche, Life-Work-Balance oder jetzt der (ansonsten in den Hintergrund gerückte) Links-Rechts-Gegensatz - alles wird auf die Mitte der 90er und später Geborenen projiziert. 

 

Das Generationenkonstrukt der GenZ ist ein Medien-Darling. GenZ klickt und sorgt für Buzz, Empörung und Debatten. Doch es sind nicht nur die angeblich so gechillten, Job-aversen bis exzentrischen Jungen, die aussteigen wollen. Unsere Gesellschaft als Ganzes steht vor heftigen, aber unvermeidlichen Konflikten, die eine gemeinsame und lebenswerte Zukunft betreffen.  

 

Was die GenZ-Debatte so problematisch macht: Indem wir Protest, Unbehagen, Verzweiflung, aber auch die Sehnsucht nach einem zustimmungsfähigen Zukunftsentwurf manisch auf eine Alterskohorte projizieren, driftet die Diskussion in die falsche Richtung. Der Klimawandel, der Umbau unserer Arbeitsgesellschaft, Konzepte gegen den Fachkräftemangel, Pflegenotstand und Ungleichheit betreffen die gesamte Gesellschaft. Indem wir diese Themen jedoch immer wieder nur auf "Befindlichkeitsstörungen" der GenZ herunterbrechen, verpassen wir den Beginn einer Modernisierungsdiskussion, die die gesamte Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, führen sollte. Wie machen wir unser Gemeinwissen wetterfest und zukunftsicher? Dafür liefern wohlfeile GenZ-Debatten keine Antworten.

 

Nicht linksdrehende Frauen, sondern prekäre Männlichkeit macht nachdenklich

 

Sozialpsychologisch relevanter als GenZ-Bashing ist ohne Zweifel der Rechtsruck in den westlichen Gesellschaften. Der Rechtspopulismus hat es geschafft (mittlerweile über eine Dekade hinweg und lange unwidersprochen), Wut und Unzufriedenheit aufgrund von Deklassierungserfahrung in der neoliberalen Epoche (1990-2008) zu organisieren. Dass darüber hinaus die Neigungen zu autoritärem Verhalten bei Männern stärker ausgeprägt sind, darüber liegen seit Jahrzehnten aussagekräftige Studien vor (Adorno et al: „Studien zum autoritären Charakter“ (1949), Theweleit: „Männerphantasien“ (1977)).   

 

Aber noch einmal zurück zur GenZ. Die Links-Rechts-Aufspaltung unter den GenZlern wird angeblich auch durch eine Studie des Survey Center on American Life untermauert: Bei den weißen Amerikanerinnen der GenZ (*1995-2010) bezeichnen sich 46 Prozent als „liberal“, bei den männlichen Altersgenossen sind es nur 28 Prozent (dafür bezeichnen sich 36 Prozent als „conservative“). Bei den Millennials (39 vs. 34 Prozent) und der Gen X (24 vs. 23 Prozent) fallen die Geschlechterunterschiede geringer aus.

 

Noch vor einem Jahrzehnt bezeichneten sich vielerorts 20 bis 30 Prozent der Jungen als links, unabhängig von ihrem Geschlecht. Direkt nach dem 2. Weltkrieg waren in etlichen Ländern die Frauen sogar häufiger rechts positioniert als die Männer. Ab 1980 aber wählte in jeder US-Präsidentschaftswahl ein größerer Anteil der Frauen demokratisch; Frauen trugen dort auch wesentlich zum gesellschaftlichen Wandel bei. Hier wird es interessant!

 

Als auslösendes Ereignis für den angeblichen Links-Turn der GenZ-Frauen gilt in vielen Studien das #MeToo-Beben von 2017. Die Polarisierung rund um das Recht auf Abtreibung in verschiedenen Ländern hat diese Grundstimmung weiter befeuert. Junge Männer hingegen fühlen sich laut Befragungen zunehmend verunsichert, auch diskriminiert. In den USA sagen 57 Prozent der Gen-Z-Männer dezidiert, sie seien keine Feministen - 61 Prozent der gleichaltrigen Frauen bezeichnen sich hingegen als Feministinnen.

 

Der nächste Strukturwandel der Arbeitswelt steht bereits vor der Tür

 

Gibt es also doch immer mehr linke GenZ-Frauen? Wir alle wissen, dass man mit Geschlechter-Stereotypen und künstlich angezettelten Gender-Debatten schnell mediale Aufmerksamkeit und Polarisierungen im popkulturellen Feld erzeugen kann. Was meines Erachtens tatsächlich hinter der Behauptung der „linken Frauen“ steckt: Frauen werden sich in absehbarer Zeit sicherlich nicht in linksradikalen Terrorzellen organisieren und über den Globus verteilen - sie tragen aber immer stärker die liberale Mehrheitskultur, weil sie überwiegend zu den Transformationsgewinnerinnen der vergangenen Jahre gehören.

 

Aber auch hier müssen wir genauer hinschauen: Nach wie vor werden Frauen auf dem Arbeitsmarkt massiv benachteiligt (Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen, AWA, 2022). Allerdings kommt ihnen der Strukturwandel in der Arbeitswelt (Wissensorientierung, Nachhaltigkeit, Teamplay, Sozialkompetenz) eher entgegen. 

 

Was aktuelle Studien als Links-Rechts-Konflikt im Geschlechterverhältnis der GenZ ausgemacht haben wollen, erzählt also eher die Geschichte von kulturellen Hegemonieverlusten der Männer und ihrer versteckten Angst vor Marginalisierung.

 

Männer haben seit dem 1980er Jahren eine ganze Ära des Desempowerments hinter sich. Der Grund dafür: die Attribute der industriellen Arbeitswelt wie Muskelkraft und Prinzip des Stärkeren werden in einer wissensgetriebenen Arbeitswelt zunehmend funktionslos, Männer machen schlechtere Bildungsabschlüsse und fallen - auch in globaler Betrachtung - deutlich häufiger durch die sozialen Auffangnetze (höhere Suizidraten, höhere Alkoholismusraten). Die Frauen, ausgestattet mit hervorragenden Schulabschlüssen und besserer Sozialkompetenz sind die Gewinner der Deindustrialisierung seit den 1980ern.

 

Immer häufiger wenden sich Männer rechtsextremen Gruppen zu, in denen verblichene Männlichkeitsideale habituell gepflegt werden. Die rechtspopulistische Pseudo-Erinnerung an ein erfundenes „Damals, als alles besser war“, hat für die verunsicherten Männer der Gegenwart einen realen Kern, wenn sie sich überkommenen Männlichkeitsritualen in den Testosteron-Reservaten des Internets hingeben. 

 

Die Rechtsdrift bei den (jungen) Männern ist ein alarmierendes Zeichen, wenn man so will auch ein „Schrei nach Liebe“, nach Anerkennung. Die psychosoziale Sprengkraft hinter der „Problemzone Mann“ im 21. Jahrhundert haben die Rechtsradikalen längst entdeckt und für sich ausgeschlachtet. Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für den Europawahlkampf, entblödet sich nicht, via SocialMedia nach Orientierung suchenden jungen Männern mit Dating-Tipps der besonderen Art zu fischen: "Echte Männer sind rechts - dann klappts auch mit der Freundin".

 

Die Zukunft verlangt anderes. Hierzulande werden 2030 nicht weniger als 70 Prozent der Ärzte Frauen sein. Sie möchten jedoch anders arbeiten als ihre hauptsächlich männlichen Vorgänger: weniger überschuldet und mit weniger Überlastungssyndromen. Unsere Arbeitswelt verändert sich rasant.

 

Doch wir diskutieren haarscharf an der Realität vorbei, wenn wir diese zukunftswichtigen Themen als Spezialbefindlichkeiten der GenZ missverstehen. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich gerade zu einem Arbeitnehmermarkt. Arbeitgeber müssen mehr in die Produktivität des Arbeitsplatzes (Digitalisierung, Teambuilding etc.) investieren, wenn sie konkurrenzfähig bleiben wollen. Aktuell gibt es in Deutschland 1,8 Millionen offene Stellen. 2030 werden es aller Voraussicht nach 5 (!) Millionen sein. Bis dahin müssen wir die Arbeitswelt fit machen für Männer und Frauen, die mehr Sinnstiftung von ihrem Job erwarten.