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2024 muss zum Jahr des Infrastrukturaufbruchs werden

Foto: Shutterstock
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Liebe Freundinnen und Freunde der Zukunft!

 

Auf den Jahresrückblicken auch der seriösen Blätter erinnern Olaf Scholz als Steuermann mit Augenklappe und Tyler Swift im immergleichen Glitzerturnanzug an 2023. Von Letzterer weiß ich überhaupt nichts, es interessiert mich auch nicht. Der „Scholzomat“ ist zum obersten Dilemma-Manager des Landes aufgestiegen. Die Ampel hat den Beginn Wärmewende dilettantisch in den Sand gesetzt. Friedrich Merz avanciert mit seinem Westentaschenpopulismus zum Kriegsgewinnler. Dabei bedient er sich - in empörender Nähe zum Rechtspopulismus - bei den uralten Playbooks der US-Erdölindustrie (allen voran Exxon Mobil), die Mitte der 1990er Jahre zunächst Al Gores visionäre Energiesteuer und im Wahlkampf 2008 den Emissionsrechtehandel - getragen von den Demokraten und vielen Republikanern! - zu Fall brachten.

 

Im Kampf um billigen Sprit brachte sich das reaktionäre Amerika so den Umgang mit Fake News bei. Friedrich Merz, als mehrfach gescheiterter Politiker ohnehin nicht für zündende Ideen bekannt, ist keine Blaupause abgegriffen genug, um noch einmal die Hand an die Macht zu bekommen. Derart zerrissen, taumelt die Republik am Ende des Jahres 2023 zwischen Affektpolitik, Klimafolgen-Apathie und Transformationsmüdigkeit (wobei die Transformation nach Ansicht vieler Experten  noch gar nicht begonnen hat).

 

Doch Wohlstand - oder sagen wir besser: ein gutes Leben - lässt sich im 21. Jahrhundert nicht mehr ohne hinlänglich informierte Modernisierungsbereitschaft garantieren.

 

Und während an diesem Silvestervormittag halb Niedersachsen unter Wasser steht, geht einem durch den Kopf, dass wir mittlerweile Infrastrukturschulden in Höhe von 457 Milliarden Euro (quasi ein ganzer Bundeshaushalt) unentschlossen und mürrisch vor uns her schieben. Mit diesem Investitionsstau vernichten wir stündlich Chancen und Möglichkeiten für die Zukunft.  Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung und das wirtschaftsliberale Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) haben diese Zahl bereits 2020 erhoben. Seitdem bröckeln die Brücken, wie es die „Lage der Nation“ treffend beschreibt, und der Ausbau der Erneuerbaren stockt, weil zu wenig Stromtrassen von Norden in den Süden gebaut werden. Im Jahr 2007 lag die Bundesrepublik mit seinen Infrastrukturen noch auf Platz drei, 2018 sind wir bereits auf Platz zwölf abgerutscht. Eine unerbittliche schwarze Null gefährdet unsere Zukunft.

 

Der Fahrplan für 2024?

 

Wir brauchen einen konsequenten Infrastrukturaufbruch, denn nur so werden wir den Anforderungen gerecht, die Demokratiemüdigkeit, multipolare Weltordnung, bürokratische Digitalisierungsdefizite und Klimakrise an uns stellen. Und dieser Infrastrukturaufbruch betrifft nicht nur Autobahnbrücken, Bahngleise und Ladestationen für E-Autos. Wir sollten im kommenden Jahr ein ganz besonderes „Sondervermögen“ aktivieren: neben den technisch-materiellen Infrastrukturen verfügen wir über jede Menge sozio-kulturelle Infrastrukturen. Das ist unsere freiheitliche Gesellschaft, das sind unsere liberalen Werte. Auch diese immateriellen Infrastrukturen (mehr Teilhabe an Demokratie, zeitgemäße Informationssysteme, ergebnisoffene Debatten über den Umgang mit KI, lebendige Öffentlichkeiten…) benötigen dringend ein Update. Und dabei sind wir alle gefragt.

 

Ich wünsche uns allen einen inspirierenden Aufbruch ins neue Jahr!

 

Dr. Eike Wenzel