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Sportswashing: der Weichzeichner für Autokraten

Mittlerweile ist der Sport als globale Unterhaltungsmaschine erfolgreicher als Hollywood. Doch seine weltumspannende Attraktivität macht ihn anfällig für die Instrumentalisierung durch totalitäre Regime. Schurkenstaaten nutzen den Deckmantel von „Brot und Spiele“, um von Verbrechen und Korruption abzulenken. Die schönste Nebensache der Welt droht zum Propagandainstrument der Autokraten zu verkommen.

 

Im Jahr 2016 veröffentlichte Saudi-Arabiens Premierminister bin Salman einen Zukunftsentwurf mit dem Titel „Saudi Vision 2030“. Dessen Ziele sind: eine Diversifizierung der Wirtschaft, weniger Abhängigkeit vom Öl, eine Öffnung des Landes für Touristen und attraktive Angebote für die eigene Bevölkerung. Seitdem fließen Milliarden Öl-Dollars in den Sport.

 

Autokratien nutzen Sportswashing nicht für den Aufbau von neuen Märkten 

 

Dass die Golfstaaten damit neue Geschäftsfelder, neue Kund:innen, Freizeitmärkte der Zukunft oder Ähnliches erschließen wollen, ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit. Saudi-Arabien und Katar werden nicht aus der klimaschädigenden Produktion von Erdöl und Erdgas aussteigen. Es geht ihnen um die Bemäntelung von Menschenrechtsvergehen, von autoritären Machenschaften und Klimasünden mithilfe eines neuen Instruments: „Sportswashing“. Mehrere Golfstaaten profilieren sich seit einiger Zeit als Veranstalter von Sport-Megaevents, wie der Fußballweltmeisterschaft im vergangenen Jahr. 

 

Neu ist das Phänomen Sportswashing nicht unbedingt, denn seit Jahren schon gilt auch ein blutiger Diktator wie Wladimir Putin als großer Fan des Weißwaschens durch die Veranstaltung großer Sportereignisse. Kleiner Nebeneffekt: Durch die Veranstaltung von Olympischen Spielen et cetera lassen sich über Sportverbände wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) Milliarden für Aufträge im Sportstättenbau an Land ziehen. 

 

Im saudi-arabischen Fußball sind es vor allem die vier Topclubs Al-Hilal, Al-Nassr (beide aus Riad), Al-Ahli und Al-Ittihad (beide aus Dschidda), die die Kicker-Branche mit Hunderten von Millionen Petrodollars fluten. Alle vier gehören zu 75 Prozent dem saudischen Staatsfonds Public Investment Fund (PIF), der vor zwei Jahren die Kontrolle über den englischen Champions-League-Teilnehmer Newcastle United übernommen hatte. Das Vermögen des PIF beträgt nach eigenen Angaben rund 700 Milliarden US-Dollar.  Vorsitzender des Staatsfonds ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der das Land quasi diktatorisch regiert. Es gilt als gesichert, dass bin Salman 2018 den Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi ermorden ließ.

 

Gerade wird der Radsport mit Petrodollars geflutet - Sport wird korrumpiert

 

Selbst Radrennen (Radfahren am Golf?) werden mittlerweile mit Millionen zugeschüttet. Das arabische Geld verhilft beispielsweise dem Team UAE von Tour-de-France-Gewinner Tadej Pogacar zu einem der Top-Budgets im Peloton. Angeblich verfügt nur die britische Ineos-Equipe mit etwa 50 Millionen Euro über einen größeren Etat. Derzeit lockt UAE den Klassikerspezialisten Mathieu van der Poel mit einem Jahresgehalt von sechs Millionen Euro.

 

Wenn längst Kühe zur Sicherstellung der Milchversorgung an den Persischen Golf geflogen werden, warum nicht auch Radrennfahrer beim 50 Grad Celsius über arabische Autobahnen jagen. Als Entschädigung winken den Pedalisten Millionengehälter. Seit Mitte Juni hält sich hartnäckig das Gerücht, der saudische Staatsfonds PIF werde das Team Jumbo-Visma des aktuellen Tour-de-France-Siegers Jonas Vingegaard übernehmen. Bislang trat Saudi-Arabien als Co-Sponsor von Radrenn-Teams auf. Die Tourismus-Agentur der Region Al-ʿUla unterstützt beispielsweise den australischen Jayco-Rennstall. Bora-Rennstall-Teamchef Ralph Denk äußerte kürzlich gegenüber dem Deutschlandfunk mit einer Mischung aus Fatalismus und Unterwerfungsgestik: „Ich glaube, man kann sich nicht wehren. Und man soll sich ja nicht wehren gegen Investoren aus dem Mittleren Osten“.

 

Feindliche Übernahme der PGA Golf-Tour

 

Welche existenziell bedrohliche Kraft die Flutung des Sports mit Öl-Milliarden entfalten kann, zeigt brandaktuell die Situation im Profigolfsport. Hier gründeten die Saudis im vergangenen Jahr den Parallelverband LIV als Konkurrenten zur altehrwürdigen PGA Tour und der DP World Tour. Spieler, die zur LIV wechselten, wurden mit astronomischen Gehältern und Prämien von mehr als 100 Millionen US-Dollar geködert. Im Sommer folgte dann, was nicht ausbleiben konnte: Überschwemmt von den Saudi-Millionen und -Milliarden fusionierten die drei Veranstalter. 

 

Ohne den Deal, erklärten Akteure der PGA Tour, seien die eigenen Zukunftsaussichten überschaubar: „Wenn sie uns jedes Jahr nur fünf Spieler wegkaufen, nehmen sie uns komplett aus. Sie haben unendlich viel Geld", ist aus Kreisen der PGA zu hören. Allein der inzwischen beendete Rechtsstreit mit der LIV hätte bei Fortsetzung des amerikanischen Golfsports bedroht. Wäre keine Übereinkunft mit der LIV getroffen worden, hätten die Saudis die US-Golf-Tour feindlich übernommen. Mittlerweile beschäftigt sich der US-Senat mit diesem neuen Fall von Sportswashing, das in den Vereinigten Staaten zurecht in geopolitischer Tragweite gesehen wird.

 

Zu den glamourösen Strippenzieher:innen in dem Golf-Deal gehört übrigens Amanda Staveley, deren britische Firma schon in mehrere große Deals involviert war. Unter anderem verhandelte sie für Abu Dhabis Machthaber Scheich Mansour den Ankauf der britischen Großbank Barclays und des Fußballklubs Manchester City. Inzwischen arbeitet Staveley mit den Saudis zusammen, ihr gehören zehn Prozent des nordenglischen Fußballklubs Newcastle United. Im strukturschwachen Norden des Königreichs werden seitdem die dunkelgrünen Fahnen des Emirats geschwenkt.

 

Was kommt als nächstes?

 

Gerade die englische Premier League, die beste Fußballliga der Welt, wird immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt für internationale Kapitalbewegungen. Bizarre Allianzen schrauben an schillernden Deals. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, werden die Verstrickungen zwischen den globalen Fußballmarken aus der englischen Premier League und global operierenden Investoren immer dubioser. Vereine des einstmals proletarischen Fußballsports wie Manchester City treten mittlerweile selbst als Investoren auf. Der aktuelle englische Fußballmeister, so die Süddeutsche, verkündete kürzlich eine rätselhafte Kooperation mit 3Key, einem hoch gehandelten Startup für Krypto-Währungen. Manchester City bezeichnet seinen Partner als „offiziellen regionalen Partner für dezentrale Finanzhandelsanalyse". In einer Mitteilung ließ der vermeintliche 3Key-Gründer Oliver Chen vielsagend verlauten, seine Firma werde in den kommenden Monaten ein Produkt auf den Markt bringen - und die Zusammenarbeit mit City belaufe sich auf Gebiete außerhalb Englands. Weder Chen noch der auf der Klubseite zitierte Marketingchef Ryan S. Hodder sowie weitere drei Personen, die 3Key in dem Statement erwähnte, lassen sich bislang ausfindig machen.