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Der Strategiewechsel der Klimaleugner (und die Klimaleugner in der FDP)

shutterstock  Nein!
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Schon gemerkt? Klimawandel-Leugner aus Wirtschaft und Politik treten neuerdings als Maßnahmen-Kritiker der Energiewende auf. Und sie können sich auf das populärste Argument schlechthin berufen: Wer soll das bezahlen? Die Spindoctors der fossilen Industrien (auch aus Putins Trollfarmen) konnten mit der Verteuerung der fossilen Energiepreise im Zuge des Angriffskriegs gar keinen besseren Zeitpunkt für ihren Strategiewechsel finden. Doch ihre Schein-Argumente lassen sich schnell entkräften.

 

Die Strategien der Leugnung des Klimawandels haben sich seit einigen Monaten verändert: der Klimawandel wird ab jetzt nicht mehr geleugnet. Dieses Narrativ wurde in seriösen Tageszeitungen und öffentlich-rechtlichen Medien zuletzt kaum noch thematisiert: es war schlicht nicht mehr haltbar und absurd. Was ist an seine Stelle getreten? Die mäkelnde, an populistische Argumente anschließende Kritik der politischen Maßnahmen gegen den Klimawandel und für eine wirkungsvolle Transformation zu regenerativen Energiesystemen. 

 

Das Gefährliche an diesem Strategiewechsel besteht darin, dass die toxischen Pseudo-Argumente in den vergangenen Monaten international auch die Qualitätsmedien, Institutionen und politischen Parteien erreicht haben. 

 

Zwei Untersuchungen belegen den cleveren Switch von der Klimaleugnung Evidence-Scepticism) zur populistischen Maßnahmenkritik („Response“- oder „Solutions-Scepticism“):

 

1. Bei der Untersuchung von Tausenden von Beiträgen der Klimaleugnerszene, publiziert im Fachmagazin „Nature“ wurde bereits im Jahr 2021 belegt, dass das Aktionsfeld der Klimaleugner und ihrer Lobby seit einiger Zeit gewechselt hat. Auch und vor allem seriöse Medien, so ein Ergebnis der Studie, werden seit einiger Zeit nicht mehr mit Fakenews zur Klimawandel-Leugnung geflutet, sondern mit Skepsis gegenüber der politischen Umsetzung von Maßnahmen der Bekämpfung des Klimawandels. 

 

2. Eine aktuelle Auswertung von TV-Beiträgen in Australien, Brasilien, Schweden, Großbritannien und den USA von 30 Nachrichtenformate auf 20 Kanälen kam zu dem Ergebnis, dass Maßnahmen-Skepsis die blanke Klimaleugnung abgelöst hat. Als bevorzugte „Argumente“ identifizierten die Forscher: Maßnahmen gegen den Klimawandel sind zu teuer, schlicht nicht umsetzbar und Whataboutism: die anderen (China!) sollen erst einmal anfangen. 

 

Wir brauchen hierzulande nur auf die hysterisierte Diskussion der vergangenen Wochen zur Wärmewende zu schauen, um festzustellen, dass die neuen Kampagnen der Klimaleugner durchschlagenden Erfolg haben. Keine Frage, das Thema Heizung wurde unklug kommuniziert. Aber populistische Bullshit-Maschinen wie „Bild“ waren zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon bestens gerüstet, um den Klimakonsens in der Gesellschaft gegen die Wand fahren zu lassen. 

 

In der bundesdeutschen Politik hat sich die FDP an die Spitze der versteckten Klimaleugner gesetzt. Wer sich immer noch fragt, weswegen ein Politiker in Ministerang wie Volker Wissing in der EU plötzlich als klimapolitischer Geisterfahrer Auftritt, der weiß es jetzt. Offenbar funktionieren die Interventionen, die den Klimakonsens nicht mehr durch krude Leugnung, sondern durch „Maßnahmenkritik“ destabilisieren wollen, wie geschmiert. „ZDF Frontal“ hat vor drei Wochen Aussagen des klimapolitischen Referenten der FDP-Bundestagsfraktion, Lukas Köhler, und seines Mitarbeiters Steffen Hentrich veröffentlicht, die beide unzweifelhaft als Klimaleugner ausweisen. Zusammen mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und Nicola Beer (ehemalige FDP-Generalsekretärin) gibt es in der Regierungspartei einen einflussreichen Flügel strammer Klimawandelleugner. Aus dem Faktencheck der „ZDF Anstalt“ geht hervor, dass es seit Jahren tief verwurzelte Verbindungen von mehreren FDP-Akteuren in die Klimaleugner-Szene gibt. 

 

Regierungspolitik als schlafwandelnde Institution auf dem Weg in die Klimakatastrophe? 

 

Die Strategie ist perfide, aber aus dem Playbook des Rechtspopulismus wohlbekannt: Da in der Realität des Jahres 2023 niemand mehr ernsthaft die Existenz des Klimawandels anzweifelt, die Interessen der fossilen Industrie jedoch an der Verschleppung der Maßnahmen (Stranded Assets in den alten fossilen Industrien in Höhe von 1 Billionen U.S.-Dollar) offensichtlich sind, kommt der alte populistische Kniff zum Einsatz: Wie soll das der „einfache Mann“ in seinem Häuschen bezahlen? Mit dem „einfachen Mann“ zu argumentieren - „Bild“ hat uns das in den vergangenen Wochen vorgeführt -, wirkt unschlagbar bei der medialen Organisation von Unzufriedenheit und Ängsten.

 

Was gegen solche perfiden Fakenews-Kampagnen getan werden kann? Ganz einfach, eine Regierung, die mit Überzeugung das Epochenprojekt der Dekarbonisierung als Aufbruch in eine gute Zukunft kommuniziert. Mit einem verstockten Bundeskanzler ist das allerdings eine nachhaltige Herkulesaufgabe.

 

Es sind vor allem vier Schein-Argumente, die regelmäßig gegen die Umsetzung der Klimamaßnahmen eingesetzt werden. Erschreckenderweise werden alle vier mittlerweile von CDU/CSU, FDP und SPD in der Diskussion um Klimamaßnahmen eingesetzt

 

• „Die Erneuerbaren sind für die hohen Energiepreise verantwortlich“: Falsch, es sind die lange Zeit hohen Erdgaspreise. Erneuerbare senken den Strompreis deutlich, wie in aktuellen Studien belegt

• „Erdgas-Fracking im eigenen Land könnte die Energiepreise senken“: Falsch, Fracking ist noch umweltschädlicher als herkömmliches Erdgas und lohnt sich schlicht nicht. Belege dafür gibt es unter anderem in Deutschland und Großbritannien.

• „Mehr Erneuerbare heißt ja doch wieder nur mehr Erdgas, das wir von Putin kaufen müssen“: Falsch, der unverantwortlich hohe Anteil des russischen Erdgases (zwischenzeitlich über 50 Prozent) konnte bereits deutlich gesenkt werden.

• „Die CO2-Ziele Deutschlands für das Jahr 2050 sind ohnehin nicht zu erreichen“: Falsch, die Klimaziele sind technisch nach wie vor erreichbar. Das Erreichen des Ziels hängt in den kommenden Jahren jedoch vom politischen Willen ab.