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Wundermaterial Perowskit: Grüne Stahlzukunft oder Greenwashing?

Ein Elektrolichtbogenofen kocht den grünen Stahl der Zukunft
Ein Elektrolichtbogenofen kocht den grünen Stahl der Zukunft

Stahl, Ammoniak (Dünger), Plastik und Zement sind die vier Grundelemente unserer modernen Zivilisation. Bei allen spielt die Produktion von Kohlendioxid (CO2) eine entscheidende Rolle. Wie können wir sie ersetzen oder transformieren? Bei der Stahlherstellung könnten Perowskit-Filter schon bald für einen Durchbruch sorgen 

 

Auf einer globalen Wasserstoff-Wirtschaft ruhen hohe Erwartungen, was unsere Zukunft in einer dekarbonisierten Gesellschaft angeht. Doch Wasserstoff kann nicht einfach in der Natur abgebaut werden, er muss mithilfe von technologisch aufwändigen Verfahren (Elektrolyse) hergestellt werden. Das Unterfangen wird dadurch noch einmal anspruchsvoller, da nur Wasserstoff aus erneuerbaren Energien (grüner Wasserstoff) tatsächlich einen substanziellen Beitrag zur Energiewende leistet. 

 

Große Mengen an grünem Wasserstoff sollen ab den 2030er Jahren die Schlüsseltechnologie für die kohlendioxidfreie Produktion von Stahl liefern. Aber ist das überhaupt umsetzbar? Viele Szenarien sprechen dafür. Doch nach wie vor ist nicht zu hundert Prozent gesichert, ob dieser Fahrplan eingehalten werden kann. Die deutsche Stahlindustrie schätzt die Investitionen für den grünen Stahl auf mindestens 30 Milliarden Euro. Alternative Technologien für die Produktion von Stahl sind also durchaus willkommen. 

 

Perowskit spaltet und recycelt CO2

 

Gerade fasziniert ein Konzept aus Großbritannien die Experten, bei dem das neue Wundermineral Perowskit eine entscheidende Rolle spielt. Perowskit kommt immer wieder auch als Material ins Spiel, durch das der Wirkungsgrad von Solarzellen auf Weltrekordhöhen gesteigert werden kann. Forscher der Universität Birmingham haben jetzt ein Verfahren entwickelt, das mithilfe von Perowskit die bei der Stahlherstellung entstehenden Kohlendioxid-Emissionen (CO2) direkt am Hochofen recycelt. Das „Journal of Cleaner Production“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über die Perowskit-Innovation. 

 

Die Stahlproduktion ist für neun Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Nach Berechnungen der britischen Forscher ließe sich die CO2-Produktion beim Stahlkochen mit Perowskit um 90 Prozent reduzieren. Das Recyclingsystem fängt das beim Stahlkochen entstehende CO2 ab und spaltet es mithilfe des Perowskit-Mineralfilters  in Kohlenmonoxid (CO) und Sauerstoff auf; beides wird anschließend in die Produktion zurückgeführt. Perowskit ist vor allem deshalb das Material der Wahl, weil die Reaktionen in einem Temperaturbereich (700 bis 800 Grad Celsius) stattfinden, der mit erneuerbaren Energiequellen und/oder durch Wärmetauscher an den Hochöfen erzeugt werden kann. https://www.birmingham.ac.uk/news/2023/novel-adaptation-for-existing-blast-furnaces-could-reduce-steelmaking-emissions-by-90 

 

Besteht das System seine Bewährungsprobe in industriellem Maßstab, werden allein im Vereinigten Königreich innerhalb von fünf Jahren Kosteneinsparungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro möglich; gleichzeitig könnten allein die CO2-Emissionen des Vereinigten Königreichs ab 2027 um 2,9 Prozent gesenkt werden. Eine ernstzunehmende Alternative zum grünen Stahl auf Wasserstoff-Basis?

 

Stahlkocher auf Wasserstoffbasis stehen bereit

 

Der Bau von CO2-freien Direktreduktionstechnologien (Elektrolichtbogenöfen) kostet pro Anlage mehr als eine Milliarde Euro. Diese wasserstoffbasierte Umstellung des Stahlkochens in der verbleibenden Zeit bis zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens erscheint wirtschaftlich immer schwerer darstellbar. Andererseits hat die Salzgitter AG jüngst angekündigt, schon Ende 2025 mehr als eine Million Tonnen CO2-armen Stahl pro Jahr auf der Basis der Direktreduktionstechnologie zu produzieren. Auch Tata Steel, Thyssenkrupp und die österreichische Voestalpine haben angekündigt, die große Transformation schnell zu vollziehen und bereits in den 2020er Jahren grünen Stahl mit Wasserstoff zu produzieren.

 

Der große Vorteil des Perowskit-Filtersystems:  die bestehenden fossilen Anlagen müssten einfach nachgerüstet werden. 

 

Was genau geprüft werden muss: Liefert die Implementierung des Perowskit-Konzepts tatsächlich die versprochenen Reduktionswerte. Ähnliche Ideen, die CO2 umwandeln, beziehungsweise weiterverarbeiten, haben bereits den Vorwurf des Greenwashings auf sich gezogen. Der Vorwurf ist insofern bedenkenswert, da durch die Perowskit-Innovation die Stahlherstellung eben ohne die Transformation hin zu Wasserstoff und mit den alten Technologien der Kohleverbrennung fortgesetzt werden würde. Die Unternehmen aus den alten fossilen Energien könnten ihr Geschäftsmodell weiterführen; die befürchteten Stranded Assets (das Wertloswerden der alten Hochöfen-Anlagen) würden ausbleiben. Geht man noch einen Schritt weiter, würde durch die Perowskit-Filter bei der Stahlerzeugung die gesamte Energiewende im Sinne einer radikalen Abkehr von der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen in Frage gestellt.

 

Was die Durchsetzung der Perowskit-Technologie behindern könnte: Perowskit wird aus Niobium gewonnen, was nur in Brasilien und Kanada abgebaut wird. Große Abnehmer wie China und die USA wären von Niobium-Importen abhängig.