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Amerikas Impotenz und der frühe Tod der Gig Economy

Die Pandemie fördert die Dysfunktionalität des Silicon Valley zutage. Noch nie war das Land so unproduktiv. Selbstzufriedene Jungmilliardäre stellen nur noch höherwertiges Bling Bling her. Auf die wirklich wichtigen Fragen hat die ehemalige Ideenwerkstatt der Welt keine Antworten mehr.

 

Mit Taxifahren zum Milliardär werden, ohne dafür auch nur ein einziges Auto anschaffen zu müssen, mit einer digitalen Plattform mal eben den Tourismus einer zeitgemäßen Disruption unterziehen, ohne ein einziges Bett dafür anschaffen zu müssen. Sharing-Unternehmen wie AirBnB und Uber fahren gerade frontal gegen die Wand (das Workplacesharing-Projekt WeWork hat das schon etwas länger hinter sich). Vor ein paar Tagen verkündete der Wohnraumvermittler, dass er jeden vierten Arbeitsplatz abbauen (rund 1.900 Stellen) werde. Der Börsengang ist einstweilen abgesagt, man möchte sich aufs Kerngeschäft konzentrieren.

 

Der Hauptgrund für das Desaster in der US-amerikanischen Zukunftswirtschaft liegt auf der Hand. Durch die Corona-Pandemie ist das öffentliche Leben zum Stillstand gekommen. Geschäftsmodelle wie das von Uber oder AirBnB basieren auf der modernen Mobilitäts- und Unterwegsgesellschaft, und genau damit lassen sich keinen Margen mehr machen. 

 

Amerika stolze Einhörner: Miese Löhne, Sexismus und Realitätsblindheit 

Sharing ist ein Modell für ein gemeinnützige, auf Vertrauen und auf verantwortungsbewusste Ressourcennutzung aufbauende Wirtschaft. Die Digitalisierung hat dieser Idee Flügel verliehen, so dass sich nachbarschaftliche Tausch- und Leihmodelle (P2P-Sharing) aufbauen ließen. Aber auch das Sharing sollte sich in der so genannten Gig Economy kommerzialisieren lassen. Wer sich jedoch bei Uber – neben internem Chaos und geharnischten Sexismusvorwürfen – genauer das Erlösmodell anschaute, der konnte schnell erkennen, dass es 1.) nicht um solide Arbeitsplätze und 2.) auch nicht um eine bahnbrechende Disruption der uralten Beförderungsdienstleistung ging. Uber ließ anfangs Taxifahrer, die keine Arbeitsverträge und keine Fahrlizenz hatten, mit einem Hungerlohn auf die Kunden los. Die Uber-Revolution, so stellte sich schnell heraus, funktioniert eigentlich nur dann, wenn keine Menschen, sondern autonome Fahrzeuge den Beförderungsjob erledigen (was aber erst Mitte der 2020er Jahre technologisch möglich sein wird). Von Teilen unter Freunden war bei Uber noch nie die Rede.

 

Der Börsengang von Uber ist zu einer Farce verkommen, als nach den ersten vier Tagen einen Absturz der Aktie um fast 19 Prozent unter dem Ausgabepreis von 45 Dollar vermeldet wurde. Offenbar übten die Investoren starken Druck auf das Schlüsselunternehmen der Gig Economy aus, den Börsengang durchzuziehen, obwohl Zahlen durchgesickert waren, wonach Uber in den vergangenen drei Jahren Verluste von zehn Milliarden US-Dollar eingefahren habe.

 

Jetzt haben Marc Andreessen und andere Silicon-Valley-Gurus das Jammern angefangen. Sie wollten die Welt software-isieren – herausgekommen ist das weinerliche Eingeständnis, dass die USA nicht einmal Atemschutzmasken herstellen können.

 

Die Kritik von Investorenseite ist fundamental. Das Silicon Valley hat sich von einer Ideenschmiede, die aus wenig bis nichts - in der berühmten Garage – Massenprodukte wie das iPhone hergestellt hat, zu einem selbstgenügsamen Hersteller von höherwertigem, software-getriebenem Bling Bling entwickelt.

 

Die großen (Megatrend-)Fragen - wie sieht ein gerechtes Gesundheitssystem aus, wie funktioniert die Bildung der Zukunft wie lässt sich die Nahrungsmittelindustrie neu denken – haben die Google, Facebook, Apple etc. nicht beantwortet. 

 

Schnelle Rendite statt Disruption

Doch die Investoren haben selbst erheblichen Anteil an dem Niedergang der US-amerikanischen Wirtschaft mit mittlerweile 20 Prozent Arbeitslosen. Sie haben fancy Startup-Einhörner aus SocilMedia-Umfeldern auf Rendite getrimmt, statt ihnen Zeit zu verschaffen, um wirklich disruptive Veränderungen anzustoßen. Dafür mutierten viele der privaten Geldgeber gerne auch zu Beratern und Teilzeitunternehmern. 

 

Man könnte auch die japanische Softbank für das Desaster verantwortlich machen, die wie bei WeWork hundert von Millionen US-Dollar in hochriskante Geschäftsmodelle und unseriöse Führung investierte. Aber auch das ist es nicht allein.

 

John van Reenen, ein Harvard-Ökonom, hat darauf hingewiesen, dass eine Ökonomie, um produktiv und innovativ zu sein, auch Stückzahlen produzieren muss. Denn nur so lässt sich Neues schaffen, das einen Markt findet. So gesehen ist die USA mittlerweile ein Failed State. Die nicht vorhandenen Investition in Forschung und Entwicklung sowohl von privater als auch von öffentlicher Seite tun ihr Übriges.  

 

Die Vereinigten Staaten steuern auf 20 Prozent Arbeitslose zu. Donald Trump hat das Land gespalten, so dass jede wichtige Entscheidung (welches Gesundheits-, welches Energiesystem?) zu einem Kulturkampf ausartet, bei dem sich unvereinbare Wertebekenntnisse gegenüberstehen. Dabei geht es eigentlich „nur“ um die Besinnung auf das, was wirklich zählt: die Infrastrukturen für einen sozioökonomischen Neuanfang.