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Britische Landwirtschaft am Vorabend des BREXIT: Künftig nur noch Landschaftsgärtner im königlichen Auftrag?

Versuchen wir einmal, den Brexit ernst zu nehmen (selbst regierungsnahe Experten halten ihn für illusorisch, aber seine Konsequenzen sind jetzt schon sehr real). Sollte im kommenden Jahr tatsächlich der Bruch mit der EU – mit oder ohne Vertrag – vollzogen werden, stehen die britischen Landwirte vor dem Nichts.

 

In England, Schottland, Wales und Nordirland ist die Landwirtschaft von einer starken Ungleichheit einerseits gekennzeichnet (die Großen machen den überwiegenden Anteil des Gewinns). Andererseits leidet das königliche Agrarsystem an technologischer Rückständigkeit und schwindender Produktivität. Sieben Prozent der englischen Farmen produzieren 55 Prozent des landwirtschaftlichen Outputs. Wenn im kommenden Jahr die EU-Subventionen wegfallen, wird das gerade in kleineren Betrieben und strukturschwachen Regionen zu Totalzusammenbrüchen führen.

 Michael Gove, Großbritanniens Umwelt- und Ernährungsminister, hat einen Unterstützungfonds und ein landwirtschaftliches Reformprogramm angekündigt. Dazu – durchaus begrüßenswert – soll wohl unter anderem gehören, dass Landwirte im „befreiten“ Vereinigten Königreich Zahlungen für die Pflege von Landwirtschaft und Natur erhalten (drei Viertel des britischen Bodens wird für landwirtschaftliche Zwecke genutzt, schreibt der „Economist“). Gove bezeichnet sich selbst als Romantiker.

 

Das ist schön. Doch inwieweit der Reformplan nicht nur der Blauen Blume Rechnung trägt, wird sich zeigen. Unübersehbar ist, dass Großbritanniens Landwirtschaft in bedenklichem Maße strukturschwach ist. Und aktuell machen die EU-Gelder exakt 61 Prozent der Einkünfte der englischen Farmer aus. In Wales und Nordirland steigt diese Zahl in einigen Gegenden bis auf 80 Prozent. Fünf Jahre, so schätzt man in Regierungskreisen, haben die britischen Landwirte Zeit, sich auf die post-Brexit Zeiten vorzubereiten.

 

Learnings

  • Auch die vielerorts angekündigte Landwirtschaft 4.0, Digital Farming, Precision Farming, wie immer man es nennen möchte – alle technologischen Instrumente werden den Kapitalausfall durch die EU nicht kurzfristig ersetzen können.
  • In UK rächst sich, dass die durchaus vorhandene Forschungskompetenz auf dem Gebiet der Landwirtschaft nie mit den Problemen der Farmer vor Ort gekoppelt wurde. Im Gegensatz beispielsweise zu den Niederlanden, wo die Universität Wageningen („Food Valley“) hervorragende Arbeit in Kooperation mit den Akteuren der Agrarindustrie leistet, wurden im Vereinigten Königreich (technologische) Trends und Tendenzen nicht sorgfältig aufgearbeitet.
  • Effizienz und Trendkompetenz – gerade in einer so traditionsgeprägten Branche wie der Landwirtschaft – werden zum Überlebenskriterium in einer Welt, die immer schneller und kurzfristiger Anpassungen der eigenen Wertschöpfung an übergreifende Veränderungen erfordert – beim Thema BREXIT ein Veränderungsschub, der auf keinen rationalen Begründungszusammenhängen beruht.