Liebe Freundinnen und Freunde der Zukunft!
Deutschland ist wieder der kranke Patient Europas. Der „Economist“ hatte das im Jahr 1999, mitten in der Dot.com-Bubble, beschrieben. Jetzt taucht diese Formulierung wieder auf. Heute und 1999 war die Diagnose zutreffend. 1999 hat sich das Land nur wenig später mit Energie aus dem Aktienmarkt und florierenden Exportgeschäften vom Krankenlager erhoben. Wird es dieses Mal wieder geschehen? Und über welche Trends soll das vonstatten gehen?
9 Trends und Tendenzen, die in den nächsten 12 bis 24 Monaten für die Zukunft Deutschlands wichtig werden:
1. Was niemand braucht... Familienunternehmen, die sich nach der fortschrittsfeindlichen Wirtschaftspolitik der rechtsradikalen AfD sehnen. Ich selbst habe im vergangenen Jahr mit Frau Ostermann versucht zu diskutieren, was sich schnell als sinnlos erwies, da sie schmerzfrei den demagogischen Stehsatz von Donald Trump bis Peter Thiel wiederkäut. Den ersten Austritten werden hoffentlich weitere folgen.
2. Die größte Herausforderung... Ich habe an dieser Stelle kürzlich von einem zweiten Chinaschock gesprochen. Tatsächlich hat China die Corona-Pandemie (lumpige fünf Jahre!) dazu genutzt, sich als grüner Innovationsmotor der Weltwirtschaft zu positionieren, was hierzulande vor allem, aber nicht nur die Automobilwirtschaft in eine Schockstarre versetzt hat. Fest steht: Deutschlands Industriemotor stottert erheblich (siehe Abb.). Ein Hauptgrund dafür: Die Schlüsselkompetenzen der chinesischen und deutschen Industrie haben sich während der Pandemie dramatisch angeglichen – allerdings sind chinesische Produkte deutlich günstiger, nicht nur im Automobilsektor. Alles das ist seit rund 20 Jahren bekannt!
3. Wo wir neugierig und kritisch bleiben sollten... Brauchen wir jetzt hierzulande auch noch ein fluffiges Start-up, das uns eine Chat-GPT-Spielart liefert? Nein. Ich bezweifle, dass wir mit der KI schon eine finale Ausbaustufe erreicht haben. Mit den LLMs wird wohl nur einer der großen BigTech-Konzerne in die Gewinnzone vorstoßen. Derweil wächst die Angst vor einer „Bubble“ (die ja an sich nichts Besorgniserregendes sein muss!) und vor allem vor Investitionsruinen, Stranded Assets. Datencenter sind keine zeitlosen Infrastrukturen wie Bahnnetze, sie müssen permanent mit neuester Chiptechnik bestückt werden.
Ab hier der zukunftsfähige Content ;-)
4. Warum geben wir uns ausgerechnet bei KI mit Low Hanging Fruits zufrieden?... Yann LeCun, bis vor Kurzem das Superhirn bei Meta, verspricht „Weltmodelle“, die einen von menschlichen Lernprozessen inspirierten Ansatz zur Informationsverarbeitung nutzen. „LLMs sind großartig, sie sind nützlich, wir sollten in sie investieren“, wird LeCun in der „Financial Times“ zitiert, „aber sie sind kein Weg zu menschlicher Intelligenz.“ Die größte Gefahr der KI-Blase besteht gegenwärtig darin, dass die Unternehmensnachfrage dürftiger ausfällt als von Optimisten erwartet und folglich Umsatzprognosen deutlich zu optimistisch waren. LeCun ist nicht der Einzige, der glaubt, dass die aktuellen LLMs überflüssig oder überholt werden könnten.
Auch auf bewährte Akteure sollten wir schauen. Der Technologiekonzern IBM hat angekündigt, Varianten der sogenannten neuro-symbolischen KI zu entwickeln. „Durch die Erweiterung und Kombination der Stärken statistischer KI, wie beispielsweise maschinelles Lernen, mit den Fähigkeiten menschenähnlichen symbolischen Wissens und Denkens wollen wir eine Revolution in der KI bewirken, nicht nur eine Evolution“, erklärt das Unternehmen. Chinesische und Forscher aus der westlichen Welt möchten Varianten der neuro-symbolischen KI weiterentwickeln, während Fei-Fei Li (World Labs, Stanford University), für viele die „Godmother der KI”, an einem ähnlichen Modell arbeitet, das sie „spatial intelligence” nennt.
5. Geothermie ist regenerative Energie mit Grundlastfähigkeit... Die komplizierte und schwer zu finanzierende Zukunftstechnologie der Geothermie (Erdwärme) macht gerade einen atemberaubenden Innovationssprung. Fachleute bestätigen schon länger, dass die Umweltbilanz der Geothermie hervorragend ist. Wie Wind- und Solarenergie emittiert Wärme aus der Erde im Betrieb praktisch keine Treibhausgase. Und da das Erdinnere permanent heiß ist, liefert Geothermie – anders als andere intermittierende erneuerbare Energiequellen – rund um die Uhr zuverlässig Strom. Sie kann außerdem saubere Wärme bereitstellen, als Energiespeicher im Netzmaßstab dienen und als Beifang auch zum Lithiumabbau genutzt werden.
Geothermie könnte demnächst eine verdienstvolle, aber wenig effektive Technologie ablösen: die Pumpspeicherkraftwerke. Diese Systeme bestehen aus zwei Stauseen, von denen einer höher liegt als der andere. Wasser wird hochgepumpt, wenn Strom günstig ist, und bei Bedarf wieder abgelassen, um Turbinen anzutreiben, die Strom erzeugen, der ins Netz eingespeist wird. Diese Systeme sind teuer, langsam im Bau und benötigen viel Fläche.
6. „Superkritisches Wasser“ ist effektiver als Atom oder Erdgas... Eine der wichtigsten Innovationen in der Geothermie ist die „heiße Geothermie“. Geothermie aus superheißem Gestein birgt das Potenzial, weltweit Terawattstunden sauberen, zuverlässigen Strom zu produzieren - und das bei einer deutlich geringeren Flächennutzung als andere Energiequellen. Technisch funktioniert das so: Ab einer Tiefe von acht Kilometern, wo der Druck mehr als 200-mal so hoch ist wie an der Erdoberfläche, geht Wasser in einen superkritischen Zustand über (über 374 °C, weder flüssig noch gasförmig). Dieses „superkritische Wasser“ dringt leicht in Gesteinsspalten ein und liefert pro Bohrung fünf- bis zehnmal so viel Energie wie Bohrungen mit normalem Heißwasser.
Modellrechnungen der Analysten von CATF, einem US-amerikanischen NGO-Thinktank, legen nahe, dass 13 Prozent der Landfläche Nordamerikas über superheißes Geothermiepotenzial in Tiefen unter 12,5 Kilometer verfügen. Die Nutzung von nur 1 Prozent dieses Potenzials könnte 7,5 Terawatt Energiekapazität liefern. Zum Vergleich: Deutschland verbraucht pro Tag zwischen 400 und 470 Terawattstunden an Strom.
7. Wie Geothermie im Alltag ankommt... Klingt alles ebenso verheißungsvoll wie futuristisch. Und tatsächlich gehören Geothermiekraftwerke bereits zum Energiemix bei der kommunalen Wärmeplanung in Deutschland. Das Unternehmen GeoHardt, eine Kooperation des Versorgers EnBW und des Mannheimer Energieversorges MVV, plant, ein Geothermie-Heizwerk im Mannheimer Stadtteil Rheinau zu errichten, um das bestehende Fernwärmenetz mit nachhaltiger Wärme zu versorgen und damit das Steinkohlekraftwerk Mannheim (GKM) abzulösen. Dieser Schritt ist Teil der Wärmewende in der Region, die durch die Nutzung von Geothermie und anderen erneuerbaren Quellen wie Biomasse und industrieller Abwärme vorangetrieben wird. Die geothermische Wärme soll eine wetterunabhängige und zuverlässige Energiequelle darstellen und langfristig die Versorgungssicherheit gewährleisten.
Noch ein weiteres Beispiel, das zeigt, dass Geothermie in der Realität angekommen ist. Das kanadische Unternehmen Eavor bohrte in Deutschland in Geretsried und Hannover für seine neuartige Geothermieprojekte, die Wärme und Strom erzeugen sollen. In Geretsried baut Eavor sein erstes kommerzielles System des Typs Eavor-Loop, das Energie aus rund 4.500 Metern Tiefe gewinnt. In Hannover realisiert Eavor ein weiteres Projekt in Zusammenarbeit mit dem kommunalen Energieversorger Enercity (Hannover). Eavor wird in diesem Jahr erstmals kommerziellen Strom erzeugen und hofft, innerhalb weniger Jahre über acht Megawatt Strom und 64 Megawatt Fernwärme für nahegelegene Dörfer bereitzustellen.
8. Investoren brennen für europäische DeepTech... Insgesamt haben sich die Investitionen von Risikokapitalgebern in Europas Deep-Tech-Unternehmen seit 2019 fast verdreifacht von rund zehn auf über 28 Milliarden Euro pro Jahr. DeepTech reicht von KI, Robotik, Quantencomputing über Biotech, Neue Materialien bis zu Raumfahrt und Rüstung. Laut McKinsey fließt inzwischen rund ein Fünftel des europäischen Venture Capitals in Deep-Tech. Deep-Tech-Unternehmen schaffen im Schnitt 87 Prozent mehr Arbeitsplätze pro investierter Kapitaleinheit als klassische Tech-Unternehmen. Zudem erzeugen sie zumeist einen greifbaren wirtschaftlichen Wert, da ihr Wachstum nicht auf reinen Nutzungsmodellen, sondern auf patentgeschützten Technologien, Produktionsprozessen und langfristigen Industriepartnerschaften basiert. https://www.mckinsey.de/news/presse/deep-tech---europes-chance-for-innovation-leadership
9. Was die Politik für einen technologischen Aufbruch tut... Paris und Berlin werden in den nächsten Tagen einige EU-Regulierungen für KI lockern – Regeln, die von vielen Start-ups, darunter dem französischen Unternehmen Mistral, als zu streng kritisiert wurden. Mistral, Europas vielversprechendster KI-Akteur, gab am 26. November 2025 Vereinbarungen mit deutschen Unternehmen bekannt (u.a. SAP, Mistral, Allianz, Mercedes), um die deutsch-französische Zusammenarbeit zu demonstrieren. Auf dem Spiel steht Europas Fähigkeit, seine Abhängigkeit von US-amerikanischen Cloud-Dienstleistern – die mehr als die Hälfte aller Cloud-Dienste in Europa bereitstellen – zu verringern, seine Abhängigkeit von der chinesischen digitalen Infrastruktur einzudämmen und ein innovationsfreundlicheres Umfeld im eigenen Land zu schaffen.
