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Zukunft der Vereinigten Staaten: „We are the leaders, we’ve been waiting for“

Die Machtergreifung von Trump-Vance-Musk soll der Welt signalisieren, dass das Ende einer auf Zielen und Regeln gegründeten Politik gekommen ist. Der Dilettantismus der Bro-ligarchie macht jedoch auch den letzten MAGA-Besoffenen misstrauisch. Erste Anzeichen einer Widerstandsbewegung werden sichtbar.

 

Die Szene wird in die Geschichte der politischen Kommunikation eingehen. Der Vorgang selbst ist denjenigen, die auch nur flüchtig in ein Playbook des Rechtspopulismus hineingeschaut haben, hinlänglich bekannt. Das Stichwort dafür: willkürliche Themenwechsel und -verdrehungen. 

 

Es geht um diese Szene: Als am vergangenen Freitag Wolodimir Selenskij mit Donald Trump und J.D. Vance zu Beratungen im Weißen Haus zusammentraf, machte Selenskij einen taktischen Fehler und begann zu diskutieren. Es sei doch fragwürdig, ob man mit jemandem wie Putin überhaupt verhandeln könne. Für den Anwalt und Autor Vance war das der geeignete Moment, Selenskij zu demütigen. Er entgegnete ihm, er halte es für respektlos, „wenn Sie ins Oval Office kommen und das hier vor den amerikanischen Medien ausdiskutieren“. Bei der Sicherheitskonferenz in München hatte Vance die Weltöffentlichkeit noch damit provoziert, dass er - pünktlich zur Bundestagswahl - die AfD als einzige demokratische Partei in Deutschland darstellte.  

 

Was hinter J.D. Vance Lügen steckt

 

Wir lernen, wie der Rechtspopulismus auf weltpolitischer Bühne agiert: Realitätsbezüge werden von den Mächtigsten wahllos ausgeblendet. Aber aus welchen Gründen findet diese monströse Realitätsleugnung statt? 

 

Am Ende kommen wir wieder dort heraus, wo die US-Politik seit dem Amtsantritt von Trump - dem Strohmann der Milliardäre  und chronischen Lügner - die Fahrbahn verlassen hat. Oder vielleicht besser: das politische System schlicht verrückt geworden ist. Es geht um die Leugnung des Klimawandels. 

 

Der französische Philosoph Bruno Latour prognostizierte bereits nach Trump 1 (2016-2020): die US-Oligarchen wollen den steinigen, aber alternativlosen Weg der Dekarbonisierung der Welt nicht gehen. Trump 2 in Gestalt des autoritären Trump-Vance-Musk-Regimes exekutiert nunmehr die Kalkulationen der Eliten resp. der Oligarchen: Ausmaß des Klimawandels und notwendige Umbaumaßnahmen für eine postfossile Weltwirtschaft haben die Oligarchen und fossilen Lobbys zu der Überzeugung gebracht, dass es keine gemeinsame Zukunft für alle (Menschen auf der Erde) geben könne“. (Bruno Latour: „Das terrestrische Manifest“, (S. 27) Die „Flucht aus der gemeinsamen Welt“ (S. 28), in der keine Milliarden-Dividenden mehr zu erzielen sind, wurde durch den Staatsraub der USA seit Januar 2025 und durch die Leugnung des Klimawandels vorbereitet.  

 

In Trump 1 haben wir dafür in erster Linie die Öl- und Autolobby verantwortlich gemacht. Jetzt wissen wir, dass es vor allem die ideologisch viel einflussreicheren Anarchokapitalisten aus dem Silicon Valley sind, die die alte Weltordnung annullieren wollen. 

 

Warum die US-Demokraten jetzt der falsche Ansprechpartner sind

 

Über das anachronistische Wahlsystem und die indolenten US-Demokraten lässt sich MAGA nicht dekonstruieren. Jedoch beginnen sich Bewegungen in Gang zu setzen, die zeigen, dass der Raub der Demokratie in den USA durch die Libertären nicht akzeptiert wird. 

 

Robert Reich, Rechtsprofessor und Arbeitsminister unter Bill Clinton, macht zehn Trends aus, die Widerstand ankündigen: 

 

• US-Bürger (auch Republikaner) richten laut Harris Poll ihren Konsum stärker nach ethischen Prinzipien aus 

 

• Ein 24-stündiger Käuferstreik aufgrund der Zurücknahme von Diversity-Policys unter anderem bei Amazon, Wal Mart und Best Buy wurde von vielen Bürgerinnen und Bürgern unterstützt. 

 

• Es bilden sich internationale Allianzen gegen Trumps Ankündigen wie die „Grönland-Übernahme“. Hierzu gehören auch der Sondergipfel zwischen der EU und Großbritannien sowie das mutige Auftreten von Mexikos Premierministerin Claudia Sheinbaum für die Souveränität Lateinamerikas.

 

• Immer mehr Widerstand in den USA richtet sich gegen den Tech-Faschisten Elon Musk. USA-weit gehen Teslaverkäufe um zwölf Prozent zurück, in Europa um rund 50 Prozent. Auch in Beliebtheitsumfragen stürzt Musk - zumindest momentan - ab. 

 

• Laut Reich haben die Einschüchterungen des Trump-Vance-Musk-Regimes zumindest die großen Medien unbeeindruckt gelassen, allen voran die New York Times, aber auch das konservative Wallstreet Journal berichten kritisch und mit Durchblick.

 

• Absurde Verschwörungstheorien, die Musk für sein Bürokratieabbauprogramm streuen ließ, wurden schnell aufgedeckt. Musks Behauptung, es gäbe zig Millionen Karteileichen, über die Sozialleistungen betrügerisch abgeführt wurden, wurde umgehend widerlegt.

 

• Mehr als 70 Klagen des Trump-Vance-Musk-Regimes wurden von 17 Generalstaatsanwälten zurückgewiesen, darunter auch Staatsanwälte, die den Republikanern nahestehen.

 

• Während es Trump bislang nicht gelungen ist, die Lebensmittelinflation zu senken, vielmehr steigt sie, reagieren die Finanzmärkte irritiert auf Trumps wirre Ansagen. Staatsanleihen gehen in den Keller, weil die Arbeitslosigkeit steigt (wer hätte das gedacht). Im Februar brach laut University of Michigan die Verbraucherstimmung um zehn Prozent ein. Zurzeit ist es nicht so, dass die Aktien- und Anleihemärkte von der neuen US-Regierung begeistert sind. Star-Investor Ray Dalio schließt nicht aus, dass die Vereinigten Staaten, und was davon übrig geblieben ist, schon in drei Jahren pleite sein könnten.

 

• Trumps diktatorisches Gehabe (er spricht mittlerweile von sich als "König") animiert weite Teile der SocialMedia zu Hohn und Spot, keiner nimmt ihn ernst. Es ist offensichtlich, dass er sich jedem Oligarchen von San Francisco bis San Petersburg zur Verfügung stellt. Das war 2016 mit Trump 1 aber auch schon der Fall. Leider ist er der mächtigste Mann der Welt. Und in der aktuellen Situation gerät dadurch der Weltfrieden ins Wanken.

 

Fazit

Robert Reich ist keineswegs naiv, er glaubt nicht, dass jetzt bald alles anders wird und das Trump-Vance-Musk-Regime freiwillig aufgibt. Doch was Hoffnung gibt: Der Versuch, durch einen schnellen Staatsstreich umfassend für Apathie und Hoffnungslosigkeit in der Bevölkerung und den Institutionen zu sorgen, wurde zumindest verlangsamt. 

 

Welches Zukunftsszenario hat Reich anzubieten: Das Trump-Vance-Musk-Regime, so Reich, werde scheitern, eine neue demokratische Massenbewegung, die sich in Ansätzen formiert, werde jedoch Jahrzehnte brauchen, um das zu reparieren, was die USA zerstört hat: Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Korruption und – so würde ich hinzufügen – Entsolidarisierung.

 

Reichs nützliche Empfehlung für die kommenden Jahre: Parteien, zumindest die im amerikanischen Parteiensystem, haben nie Massenbewegungen angeführt. Auch der Vietnamkrieg wurde nicht von einer Partei, sondern von einer Massenbewegung beendet. Nur eine demokratische Massenbewegung könne den Untergang der USA aufhalten, denn, davon ist Reich überzeugt: „we are the leaders, we’ve been waiting for“.