Halbzeit der Energiewende: Was funktioniert und was wir dringend brauchen. 7 Trends

Im Jahr 2030 muss die Welt 10,5 Terawatt an erneuerbaren Energien produzieren. Die Perspektiven dafür sehen nicht schlecht aus. Was die Szenarien bis Mitte des 21. Jahrhunderts beeinträchtigt, sind unterfinanzierte Technologien und schwächelnde Infrastrukturen. Wie sieht die To-Do-Liste für die Energietransformation im Jahr 2024 aus?  

 

1. Connecting Terawatts: Weltweit ist es seit 2014 gelungen, die Installation von Windenergie zu verdoppeln und den Zubau an Solarenergie sogar zu verneunfachen. Wenn es in den kommenden Jahren darum geht, die Elektrifizierung von Industrie, Wärme und Mobilität weiter voranzutreiben, muss die Geschwindigkeit noch einmal erhöht werden. Nach dem Szenario von BloombergNEF liegen die Erneuerbaren (Wind, Sonne, Wasser und andere) auf dem Pfad der geforderten Verdreifachung seit 2022, exakt liegen die Prognosen zurzeit beim Faktor 2,5; die Politik, gerade bei Wind in Deutschland, muss jetzt liefern für einen weiteren Push in Richtung Verdreifachung.

 

2. Netzausbau: Unverzichtbare Voraussetzung dafür ist ein globaler Ausbau der Stromnetze, der die Sache kompliziert macht. Ohne Stromtrassen keine Energiewende. Solche Netze werden dringend gebraucht; es sind große Investitionen (600 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2030) in zukunftswichtige Infrastrukturen, die jetzt für die kommenden Jahrzehnte getätigt werden und die Netz weltweit an den Start gebracht werden müssen. 

 

3. e-Auto-Boom: Der erfreulichste Aspekt der globalen Energie-Transformation findet sich wohl in der Dekarbonisierung der Mobilität. Die Elektrifizierung der PKWs (aber auch im Schwerverkehr!) könnte die geforderten Transformationsziele sogar noch übertreffen. Der Flirt der FDP mit einer Nischentechnologie wie Biofuels wirkt komplett weltfremd, angesichts des rasanten e-Auto-Wachstums, seit neuestem auch in Indien und Vietnam. Laut BloombergNEF wird in diesem Jahr die 1-Millionen-Grenze bei den elektrifizierten Lastern und Lieferwagen übersprungen. Gegenüber 2023 ist der e-Automarkt (Neuwagen) international gegenüber 2022 um gigantische 33 Prozent auf 14 Millionen ausgelieferte Neufahrzeuge gewachsen. 

 

4. Erneuerbare Preise normalisieren sich: Die Preissteigerungen und Marktunsicherheiten angesichts des russischen Angriffskriegs sind von den Erneuerbaren mittlerweile abgefangen worden. Die Preise für Solarpanele fielen im Jahr 2023 um 45 Prozent; die Verteuerung der Lithium-Ionen-Batterien, die 2022 besonders stark ausfiel, wird im Jahr 2024 für keine größeren Produktionseinschränkungen sorgen.

 

5. Wind fehlt (politischer) Auftrieb: Probleme macht – nicht nur in Deutschland – die Windenergie. Das vergangene Jahr war geprägt durch abgesagte Projekte, zurückzuführen hauptsächlich auf deftige Preisanstiege in der Branche. BloombergNEF geht, basierend auf den aktuellen Zahlen, von einem Windausbau auf 1,9 Terawatt in 2030 aus – laut des Dekarbonisierungsziels müssten jedoch 3,6 Terawatt geliefert werden.   

 

6. Just Transition in den Schwellenländern: In der westlichen Welt kommt das Projekt der Energietransformation voran. Aber was ist eigentlich mit den Emerging Markets, den ehemaligen Schwellenländern (EMDE)? Der globale Anteil der Emerging Markets (China wird dieser Gruppe nicht mehr zugerechnet) an den Investitionen in Erneuerbare Energien ist im Jahr 2022 auf 14 Prozent zurückgegangen, in konkreten Zahlen sind das 85 Milliarden US-Dollar für Erneuerbare. In den kommenden Jahren wird es vor allem wichtig sein, die Weltbank als Geldgeber für die Energietransformation in Ländern wie Indien, Ägypten, Argentinien, Brasilien, Vietnam, Indonesien und Südafrika an die Spitze zu setzen. Die Impulse müssen aus Europa und Nordamerika kommen, die jahrzehntelange Erfahrungen in der Energietransformations-Politik einbringen und die Grundlagen für eine gerechte und sozialverträgliche Transformation (Just Transition) legen können.  

 

7. Wasserstoff und CCS nach wie vor nicht marktfähig: Chemie, Stahl, Zement und Düngemittel machen ziemlich genau ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen aus. Wie kommen wir hier auf den Dekarbonisierungspfad? Die Technologie dafür sind mittlerweile bekannt: Elektrifizierung, Kreislauf- und Wasserstoffwirtschaft, sowie CO2-Abscheidung (Carbon Capture, CCS). Wasserstoff und CCS geben nach wie vor Rätsel auf. 50 Millionen Tonnen Wasserstoff im Jahr 2030 könnten die Hälfte des zurzeit benötigten fossilen Wasserstoffs ersetzen. Das ist ein realistisches Szenario. Reicht aber bei weitem noch nicht aus. CCS ist als Technologie nach wie vor nicht marktfähig. Langjährige Projekte werden immer wieder in Frage gestellt. Grundsätzlich: Für beide CCS und Wasserstoff fehlen bislang Investoren und vor allem Abnehmer! BloombergNEF, tendenziell eher optimistisch, geht aktuell davon aus, dass gerade einmal zehn Prozent der Projekte bei Wasserstoff und CCS durchfinanziert, mit realistischen Umsetzungsplänen und klugen Anreizstrukturen für die Industrie ausgestattet sind. Mit anderen Worten: Das, was beim Thema e-Mobilität und Erneuerbare Jahrzehnte dauerte, muss jetzt deutlich schneller vonstatten gehen. Steile Lernkurven sind gewünscht. Diejenigen Akteure, die gerade fieberhaft an der Entwicklung dieser diffizilen, aber zukunftswichtigen Technologien arbeiten, sind angewiesen auf Politiken, die ein optimales Innovationsklima schaffen und vorausschauend regulieren, sowie an resiliente Abnehmer, die sich idealerweise auf langfristige Liefervereinbarungen einlassen.   

 

Fazit: Während wir uns in geostrategisch angespannten Zeiten der Halbzeit der Energietransformation annähern, sollte das nächste Ziel sein, dass Ende dieses Jahres der Peak-CO2 erreicht wird. Die Hälfte der globalen Energietransformation ist den Forschern von BloombergNEF zufolge aber bereits getan.