Innovationen gedeihen nicht mit alten Floskeln: Wir brauchen Integration statt Disruption!

Mit den immergleichen Phrasen kommen wir nicht weiter. Da ist das fragile Selbstbewusstsein des Krypto-Jungunternemers, der - wir hören das seit 30 Jahren oder länger - vor Überregulierung des Digitalsektors warnt und beweint, das in Europa einfach zu wenig Kapital vorhanden sei und es keine Technologie-Hubs gebe, um Netzwerkeffekte zu erzeugen. Alles seit Jahren bekannt.

 

Die Wirtschaftsprofessorin, eine Innovationsexpertin, bringt ihre Sorge zum Ausdruck, dass wir hierzulande die „kreative Zerstörung“ nicht beherrschen, mit deren destruktiver Energie uns angeblich andere Ökonomien uneinholbar abhängen.

 

Wenn in Deutschland über Zukunft geredet wird, wird schnell geklagt und noch schneller gefordert. Mit neurotischem Verhalten (immer sind die anderen schuld) und Opfer-Rhetorik rücken viele „Innovationsexpertinnen und -experten nahe an den Populismus.

Wann starten wir in Europa endlich mit eigenen Idee und hören auf, die jahrzehntealten Silicon-Valley-Binsen wiederzukäuen. 4 Überlegungen hierzu:

  1. Ohne die Politik als Innovationspartner werden wir die notwendigen Transformationen (in Wirtschaft UND Gesellschaft) nicht gestalten können. Da nutzt es wenig, in die alten Reflexe zu verfallen und über Regulierung und Bürokratisierung zu jammern. Die Politik hat in den kommenden Jahren die zukunftswichtige Aufgabe, die Marktbedingungen für Unternehmen in Zukunftsbranchen zu verbessern. Und das heißt natürlich Prozesse zu beschleunigen.
  2. Als Gesellschaft sollten wir nicht weiter auf der Binse der Disruption herumkauen wie auf einem alten Kaugummi. Statt Disruption brauchen wir Integration. Ja, das hat Schumpeter nicht gesagt. Aber Schumpeter und kreative Zerstörung (Joseph Schumpeter: „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“) das war 1912!!!, ist also wirklich lange her.
  3. Integration heißt: Politik und Unternehmen, Staat und Privatsektor müssen sich auf einer neuen Tatsachenebene (Klimawandel und Digitalisierung) zusammenfinden. Es muss in Europa ein neues Gespräch über Private-Public-Partnerships geben. Dabei müssen neue Verbindungen und Bindungen entstehen. Disruption klingt ganz chique - aber nur neue Bindungen und Verbindlichkeiten, ein neuer Konsens (unter anderem über Industriepolitik) führen zu einem klaren Zukunftsbild.
  4. In unserem aktuellen „Megatrend-Newsletter“ haben wir aufgeschrieben, wie sich die EU gegenüber Joe Bidens Green Deal positionieren sollte. Neue Bindungen zu stiften zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, zwischen Politik und Individuum, darum muss es in den nächsten Jahren gehen. Aus der Phase der Hyperpolitisierung (Populismus, Autoritarismus, Desinformation) kommend, müssen wir das, was zerbrochen ist, reintegrieren. Integration statt Disruption. Nur so, das ist meine Überzeugung, werden wir als Europäische Gemeinschaft eine eigene politisch und industrielle Identität entwickeln.   

Lasst den guten alten Schumpeter endlich sterben. Wir brauchen selbstbewusste Modelle, die Künstliche Intelligenz im Rahmen eines digitalen Humanismus produktiv machen. Wir müssen unsere Industrien dekarbonisieren (dabei wird uns die Kernfusion nicht helfen, wie Sie im Letter ebenfalls lesen können). Wir müssen Unternehmen als Hauptakteure des Wandels davon profitieren lassen. Und wir müssen den Menschen die Transformation (Green Jobs) schmackhaft machen und ihnen eine zustimmungsfähige Zukunft ermöglichen.

 

Integration statt Disruption.