· 

Wie die Mobilitätswende international anspringt - und das Verkehrsministerium wieder nur an die Besserverdiener denkt

Quelle: International Energy Agency (IEA)
Quelle: International Energy Agency (IEA)

Der Start der Wärmewende hat viele Deutsche - durch populistische Desinformationsschübe seitens der Boulevardmedien und Teilen der Regierung - irritiert im Heizungskeller zurückgelassen. Die Energiewende ist kompliziert, die Mobilitätswende auch. Und wieder fehlt es an recht einfachen Dingen: bezahlbare und CO2-neutrale Mobilität. 

 

Der US-amerikanische Inflation Reduction Act (IRA) hat die Regulierungsvorschriften für Elektromobilität fast ins Absurde gesteigert. Wer als amerikanischer E-Autokäufer den gesamten Rabatt von 7.500 US-Dollar einstreichen möchte, der muss beim Autokauf besonders wachsam sein. Denn der bezuschusste Elektrowagen muss in Nordamerika montiert worden sein. Der erste Teil der Steuerprämie wird nur dann ausgezahlt, wenn mindestens 40 Prozent der für die Akkus nötigen Mineralien aus den USA oder Ländern stammen, die ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten abgeschlossen haben (Deutschland fällt also nicht darunter). Die zweite Hälfte gibt es nur dann, wenn 50 Prozent oder mehr aller Batteriekomponenten aus solchen Nationen kommen. Beide Prozentwerte unterliegen einer anspruchsvollen Progression, bis auf 100 Prozent im Jahr 2029. Autos mit chinesischen Batteriekomponenten sind von vornherein von der Förderung ausgeschlossen.

 

Auch der Pkw-Preis und das eigene Einkommen haben Konsequenzen für die Förderung. Sie kommt nur für Modelle mit einem Kaufpreis unter 55.000 Dollar (Standard-Pkw; rund 51.400 Euro) oder 80.000 Dollar (SUV, Pick-ups und Nutzfahrzeuge; knapp 75.000 Euro) infrage. Die Käuferinnen und Käufer dürfen brutto nicht mehr als 150.000 Dollar als Einzelperson oder 300.000 US-Dollar pro Haushalt verdienen. Beim Kauf eines "mindestens zwei Modelljahre" alten und höchstens 25.000 Dollar teuren gebrauchten Elektroautos lockt eine Steuergutschrift von 4.000 US-Dollar (allerdings nur dann, wenn exakt für dieses Auto nicht bereits die Neuwagenförderung in Anspruch genommen wurde).

 

Wissings Welt und der internationale Aufbruch

 

Doch die Maßnahmen machen sich bezahlt. Laut der Internationalen Energie Agentur (IEA) hat sich der Anteil der Elektroautos am weltweiten Gesamtabsatz innerhalb von drei Jahren mehr als verdreifacht, von rund vier Prozent im Jahr 2020 auf 14 Prozent im Jahr 2022. Den aktuellen Trends zufolge spart die Einführung von Elektrofahrzeugen bis 2030 den Bedarf an fünf Millionen Barrel Öl pro Tag ein. Die IEA geht davon aus, dass bis Ende 2023 ein Abverkauf von 14 Millionen Pkw zu verzeichnen ist, was einer Steigerung von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Entsprechend werden Elektroautos am Ende des Kalenderjahrs rund 18 Prozent des weltweiten Autoabsatzes ausmachen.

 

Und nicht nur die Bidenomics in den USA sorgen für einen elektroangetriebenen Aufbruch. Frankreich hat in dieser Woche einen Vorstoß gewagt, der selbst wütende Gelbwesten zu Stromantriebler machen könnte. Macrons Regierung schafft gerade die Voraussetzungen, dass Elektroautos für rund 100 Euro im Leasingverfahren genutzt werden können. Das Angebot soll sich auf in Europa produzierte Fahrzeuge beschränken. Um den Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern, wolle Frankreich in 13 Ballungsräumen S-Bahn-Netze einrichten, kündigte Macron an. Der „französische Ökologieplan“ sieht alleine im kommenden Jahr Ausgaben von 40 Milliarden Euro vor. Frankreich hat bereits im vergangenen Jahr mit entschlossenen Maßnahmen aufhorchen lassen. So hat Frankreich ein Vernichtungsverbot für unverkaufte Konsumgüter erlassen und diskutiert einen Reparaturbonus für Kleidung. Rund 3,3 Milliarden Kleidungsstücke, Schuhe und Haushaltswäsche wurden im vergangenen Jahr in Frankreich auf den Markt gebracht – eine halbe Million mehr als 2021. 

 

Gemessen an der Initiative in den USA und Frankreich wirkt der Vorstoß des bundesdeutschen Verkehrsministeriums präpotent und ignorant zugleich. Die Idee, Bürger, die über Haus- und Autobesitz verfügen, zusätzlich mit einer Solarprämie zu beschenken, wurde dankbar entgegengenommen. Innerhalb weniger Stunden wurde die Förderaktion von der KfW gestoppt, da die Fördergelder in Höhe von 300 Millionen Euro bereits komplett aufgebraucht waren. In Minuten wurden 33.000 Förderanträge bewilligt. Gefördert werden der Kauf und die Installation einer Ladestation für Elektroautos in Kombination mit einer Photovoltaikanlage und einem Solarstromspeicher. Da haben sich die Besserverdienenden im Land über Geld gefreut, das sie gar nicht brauchen. Und die Energie- und Mobilitätswende wird weiterhin gedankenlos an den Bedürftigen und Wenigverdienenden vorbei organisiert.