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Wofür brauchen wir heute noch Warenhäuser?

 

Ist der Idee des Kaufhauses und des traditionellen Einzelhandels noch zu helfen? Es scheint, als wäre das Kaufhaus ein Kind seiner Zeit, einer Nachkriegsgesellschaft, die in den 1980er Jahren zu einer modernen, aber weitestgehend homogenen Wohlstandsgesellschaft heranwuchs. Diese Welt haben wir schon seit längerer Zeit hinter uns gelassen. Gibt es da für die alten Handelsformate noch eine Daseinsberechtigung? 

 

Die Ursachen für die vielen Pleiten im Einzelhandel sind nicht in der Pandemie zu suchen, die Pandemie hat das langsame Sterben vieler Retailer in den USA nur unnötig in die Länge gezogen. Jetzt nach Pandemie-Ende laufen Schulden auf und der zwischenzeitliche Hype in Segmenten wie Einrichtung und Baumärkte (während Corona und Konjunkturprogramme) ist endgültig abgeebbt. Fakt ist, dass viele klassische Einzelhändler bereits vor fünf, zehn und 20 Jahren die falschen Weichenstellungen vorgenommen haben. 

 

Staatliche Hilfen haben die Verzweiflung nur noch größer gemacht

 

Wie wir hierzulande vor allem an der schleichenden Kaufhof-Agonie gesehen haben, hat es der Pandemie-Hype im elektronischen Handel den Unternehmen erlaubt, sich Zeit zu kaufen. Für viele hat das jedoch lediglich die Verbindlichkeiten noch einmal deutlich erhöht; Geld, das für Innovationen hätte investiert werden können, wurde so unnötig verbrannt. In den USA hat ein Haushaltswaren-Discounter wie Tuesday Morning dadurch gleich zwei Pleiten hingelangt, wobei zwischen dem ersten (2019) und dem zweiten Konkurs (2022) die Nettoverschuldung von 23 Millionen US-Dollar auf monströse 250 Millionen US-Dollar anstieg. Hinzu kam hierbei noch die Zinserhöhung der FED. 

 

In den S&P-Ratings werden inzwischen nicht weniger als zwölf Prozent der US-Einzelhändler als unmittelbar gefährdet eingestuft (Triple C), so dass absehbar die Kredite nicht mehr bedient werden können. Die Zahl hat sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt und gegenüber 2021 verdreifacht. 

 

Drei Trends sollen doch noch das Tor in die Zukunft aufstoßen 

 

Peek & Cloppenburg hat vor einigen Wochen Insolvenz angemeldet und Antrag auf ein Schutzschirmverfahren gestellt. Als Begründung heißt es, die Schließungen in der Corona-Zeit hätten einen dreistelligen Millionenverlust verursacht. Hinzu gekommen sei außerdem ein dreistelliger Millionenbetrag fehlgeschlagener Investitionen, unter anderem für den Ausbau der Multichannel-

Geschäfts.

 

Drei Trends sollen für Kaufhof 2.0 das Tor in die Handelszukunft aufstoßen: Bei Kaufhof ist zu hören, dass 1.) trotz alledem noch einmal, vielleicht jetzt wirklich ernsthaft, versucht wird, den Kunden vor Ort in den Mittelpunkt zu stellen. Jahrzehnte hat es gedauert, doch offenbar jetzt wurden entdeckt, dass die zentrale Steuerung des gesamten Filialnetzes längst nicht mehr zeitgemäß ist. „Die traditionelle Denkweise, wie Sie ein Warenhaus zu führen haben, funktioniert nicht mehr. Wenn Sie alles zentral steuern, arbeiten Sie am Kunden vorbei“, so ein Mitarbeiter aus dem Unternehmen. Künftig soll 2.) das Filialnetz in fünf Regionalsegmente unterteilt werden, um den Einheiten eine relative Entscheidungsautonomie zu garantieren und so näher an die je besonderen Kundenbedürfnisse an den Standorten heranzurücken. Und am Image des Sortiments soll gearbeitet werden. Endlich soll 3.) auch mit höherpreisigen Warengruppen und Marken gepunktet werden. 4.) Für alle Filialen wird ein deutlich attraktiveres Lebensmittelangebot à la KaDeWe (freilich preislich regional angepasst) angestrebt.

 

Fazit 

 

Die Konsumausgaben machen in Deutschland wie in den USA gut zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Insofern ist es essenziell, den Wandel der Lebens- und Konsumstile permanent im Auge zu behalten. Der klassische Handel versucht jedoch seit rund 20 Jahren trotzig sein Geschäftsmodell und seine Managementprozesse über alle Struktur- und Wertewandelprozesse hinweg zu konservieren. Bislang mit bescheidenem Erfolg. 

 

Ob der neue Anlauf gelingt, ist fraglich. Die Rezepte sind bekannt (regionaler, individueller, genussorientierter, kundennäher) und werden seit gut zwei Jahrzehnten immer wieder einmal halbherzig umgesetzt. Gegen das letzte Aufbäumen der Kaufhauskultur steht nicht nur der Megatrend Digitalisierung, sondern die grundlegende Einsicht, dass das Zeitalter des Massenkonsums mit seiner Standardisierung des Sortiments seit einem Viertel Jahrhundert bereits vorbei ist. 

 

Der Konsumstil des wöchentlichen Gewohnheitskäufers mit mainstreamisierter Qualitätserwartung ist nach unserer Beobachtung bereits Ende der 1980er Jahre mit Beginn der postindustriellen Arbeitskulturen aus dem Fokus gerückt. Die Konsumsphäre für die Ära der Individualisierung muss sich in der Mehrzahl seiner Leistungsmerkmale bewusst konträr zu den Traditionen des Warenhauses positionieren.