Generation X, Y, Z... Gibt es doch gar nicht

Amazon schlägt aktuell 2.000 Buchtitel unter dem Suchbegriff „Generation Z“ vor. Wer die Generation Y versteht, der kennt die Powerkonsumenten der Gegenwart. Und wer die Generation Z versteht, der weiß, wie die Arbeitswelt von morgen aussieht. Ganze Beraterkohorten stürzen sich auf Generationen-Modelle. Der Vorteil: Sie lassen Arbeits- und Konsummuster planbar erscheinen; zeitknappe Manager lieben das. Mit der Realität hat das jedoch wenig zu tun

 

Der Marburger Soziologe Martin Schröder hat im Jahr 2018 eine Untersuchung veröffentlicht, die den Klimbim um die Eigenartigkeiten und Besonderheiten von sogenannten Generationen massiv in Frage stellt. Schröder präsentiert Zahlen, wonach sich Alterskohorten in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg im Grunde kaum unterscheiden, „weder in Bezug auf Lebensziele noch in Bezug auf Sorgen oder gesellschaftliches und politisches Engagement“. „Unter Kontrolle von Alters- und Periodeneffekten mit bis zu 551.664 Beobachtungen von bis zu 76.161 Individuen des sozio-ökonomischen Panels“ hat sich Schröder Kohorteneffekte angeschaut und kaum Differenzen zwischen ihnen entdeckt.

 

In den sozialen Medien hat sich vor einigen Tagen wieder einmal eine (wahrscheinlich die 1.324) Diskussion um die Wertigkeit von Publikationen zur Generation Z entsponnen. Zu Recht wird auf die mitunter bis ins Absurde gesteigerten Vereinfachungen in der Generationen-Prosa verwiesen (idealtypisch: „freiheitsliebend und zugleich gemeinschaftsorientiert“, nun ja, wer nicht).

 

Der methodische Hauptvorwurf, der den kommerziell erfolgreichen Generationen-Epen seit Florian Illies‘ „Generation Golf“ gemacht wird, ist äußerst simpel: Generationen-Literatur vergleicht unterschiedliche Kohorten respektive Generationen gar nicht miteinander, sondern zeichnet in der Regel ein buntes, gut lesbares, aber von jeglicher soziologischen Evidenz befreite (Trug-)Bild einer Generation. Generationenbilder sind immer Stereotype.

 

Generationen sind gut erzählbare Mythen - mit der Realität haben sie wenig zu tun

 

Schröder hat für seine Untersuchung Daten seit 1984 analysiert. Marc Raschke fasst Schröders Erkenntnisse in einem Post auf LinkedIn folgendermaßen zusammen: „Wenn es Einstellungsunterschiede gab, dann gab es sie jedoch nicht nur in einem Geburtenjahrgang, sondern in der gesamten Gesellschaft gegenüber früheren Jahren.“ Mit anderen Worten: Auf empirischer Basis lassen sich seit den 1980er Jahren zweifellos viele Veränderungen und Einstellungsunterschiede feststellen, diese finden jedoch nicht vordringlich zwischen den Generationen statt, sondern in komplexen Prozessen in der gesamten Gesellschaft. 

 

Die Generationen X,Y,Z oder wie auch immer sind ein gut erzählbarer Mythos, der gesellschaftliche Veränderungstrends – weil es so einfach ist und sich so süffig konsumieren lässt -  faktenwidrig als Befindlichkeit einer Generation verkauft. Generationen – ein Format für Bestseller, die dem Realitätstest jedoch kaum standhalten. 

 

Wir werden in den kommenden Wochen mit einer Lebensstil-Studie beginnen, bei der wir entlang von empirischen Daten und unter Einbeziehung unserer Trend-Matrix (Megatrends, Technologie-, Gesellschafts-, Konsum- und Lebensstiltrends) die wichtigsten Lebensstiltrends für die kommenden Jahre herausarbeiten werden. Genau das Gegenteil von Generation blabla: anhand konkreter Daten und Fakten und mit soziologischer Phantasie werden wir beschreiben, wie die Menschen damit beginnen, ihr künftiges Leben zu gestalten.