Greenwashing: Regelwerke für nachhaltige Fonds dringend gesucht

Greenwashing: ESG-Assets brauchen eine verbindliche Rechtsgrundlage
Greenwashing: ESG-Assets brauchen eine verbindliche Rechtsgrundlage

Tristesse oblige, auch in 2023. Versicherungsunternehmen müssen sich mit der bitteren Wahrheit vertraut machen, dass Umweltschäden im Zuge der Klimakrise jährlich zu Verlusten von mehr als 100 Milliarden US-Dollar führen werden. Und während es die sintflutartigen Regenfälle in Kalifornien nicht schaffen, die seit Jahren anhaltende Trockenheit zu beenden, fordern Anlageexperten endlich klarere Richtlinien, um gegen Greenwashing im Finanzsektor vorzugehen.

 

Wie in anderen Sektoren der Wirtschaft gerät die nachhaltige Anlagebranche immer mehr ins Zwielicht: immer  häufiger distanzieren sich Fonds beispielsweise von Unternehmen, die behaupten, Kohlendioxid (CO2) zu reduzieren oder gar CO2-frei zu produzieren, ohne dabei auf die massiven Emissionen ihrer Kunden oder Zulieferer hinzuweisen. Andere Unternehmen segeln unter der Top-Öko-Bewertung, machen aber einen Großteil ihres Umsatzes nach wie vor mit fossilen Energien. Das hat in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres dazu geführt, dass Großinvestoren wie Black Rock, Amundi, Axa und weitere ein Anlagevermögen von 140 Milliarden US-Dollar aus der Top-Klasse der EU Nachhaltigkeits-Fonds (ESG, "Environmental, Social and Governance") abgezogen haben (s. Abbildung). Die Investoren fürchten Ärger durch grüngewaschene Unternehmen, die nicht dem Artikel 9 der EU gerecht werden, der in der Topliga der Nachhaltigkeitsfonds nachweisbar zu hundert Prozent nachhaltiges Wirtschaften fordert. FE fundinfo, ein Unternehmen für Fondsdaten, warnte bereits im September 2022, dass nicht weniger als 1.500 Unternehmen aus den Artikel-9-Fonds die Auslistung drohe. 

 

Nach Recherchen der niederländischen Nichtregierungsorganisation Follow the Money ließen sich bei der Hälfte der 838 europäischen Top-Öko-Fonds hohe Umsatzanteile in den Bereichen Flugzeuge und den fossilen Industrien nachweisen. Am intensivsten werde Greenwashing in Frankreich betrieben. Totalenergies, vormals Total, ist beispielsweise der weltweit siebtgrößte Produzent von Erdöl und Erdgas und wird nach wie vor in Top-Ökofonds gelistet. Der Fonds mit dem höchsten Anteil an grüngewaschenen Investments ist der vier Milliarden schwere Pictet Clean Energy. Über zwölf Prozent des Vermögens stecken in Firmen wie Nextera Energy, RWE, Fistenergy und Aes. Auf 6,2 Prozent "graue" Anlagen kommt der Climate Transition Fonds von Lombard Odier. 

 

Was sich jetzt zeigt: Wir befinden uns mitten in einer Greenwashing-Welle. Auch der schnell wachsende Markt der nachhaltigen Rentenpapiere gerät in den Sog des Greenwashings. Maia Godemer, Analystin von Bloomberg NEF, appelliert an Unternehmen und Fonds, sich beim Thema Greenwashing möglichst schnell eine Art von Selbstverpflichtung aufzuerlegen. Die einzelnen Staaten, so Godemer, würden sich wohl nie zu einer einmütigen Richtlinie gegen Greenwashing zusammenfinden. Die Wettbewerbshüter sollten sich kurzfristig zumindest auf Grundlinien der Nachhaltigkeitsberichterstattung verständigen. Ansonsten stünde der nachhaltige Investmentsektor vor einer Prozesslawine.