Die COP 27: Wachsende Skepsis und eine gute Nachricht

Quelle: Economist  Klima braucht noch deutlich mehr öffentliche und private Investitionen
Quelle: Economist Klima braucht noch deutlich mehr öffentliche und private Investitionen

Die kommenden Monate werden Auskunft darüber geben, ob es überhaupt noch möglich ist, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Für die Mehrheit der Experten gilt das Überschreiten dieser roten Linie mittlerweile als wahrscheinlich. Doch es gibt auch positive Nachrichten

 

Klimadebatten und -vereinbarungen auf globaler Ebene sind nach wie vor schön und gut, doch unverändert führen sie zu keinen umsetzbaren Maßnahmen oder Gesetzesbestimmungen. Die berühmten Anreizsysteme und moralischer Druck reichen nicht aus. In Glasgow vor einem Jahr wurden zwar weitgehende Monitoring-Verfahren für die CO2-Reduktion in einzelnen Ländern und Sektoren in Aussicht gestellt. Was momentan jedoch den Klimaprozess auf bedenkliche Weise bremst, sind der Ukraine-Krieg und die drohende internationale Rezession bei weiter anziehender Inflation. Maßnahmen zur Einhegung des Klimakrise und Investitionen in die Energiewende sind dagegen nach wie vor deutlich unterfinanziert. 

 

In die Unterfinanzierungsfalle werden vor allem die ärmeren Staaten, zuvörderst die Länder Afrikas, tappen. Micky Sall, Präsident des Senegal, wies darauf hin, dass die ärmeren Länder, die nur vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursachen, doppelt bestraft würden, weil sie schon jetzt stark an den Klimafolgen litten und das Geld für die Maßnahmen gegen den Klimawandel außerdem über teure Auslandskredite aufnehmen müssten. Industriestaaten haben sich verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar Klimahilfen an afrikanische Staaten zur Verfügung zu stellen. Bislang blieben die Zahlungen jedoch häufig aus. Stattdessen setzt die galoppierende Inflation die Haushalte der reichen Länder unter zusätzlichen Druck. 

 

Auf der COP 27 drang indes auch eine positive Nachricht durch: die weltweiten Kohlenstoffdioxid-Emissionen beginnen sich immer deutlicher von Wachstum zu entkoppeln. Die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und steigenden Naturverbrauch ist ein zentrales Strategem bei der globalen Dekarbonisierung bis 2050. Die Grundbedingung dafür: Künftig darf Wachstum nur noch stattfinden, wenn die dafür aufgewendete Menge an Energie und Rohstoffen deutlich reduziert wird. 

 

Die Zahlen in diesem Artikel haben wir vor allem den Untersuchungen des „Global Carbon Projects“ entnommen. Wir empfehlen vor allem den Text von Corinne. Le Quéré et al (2019): „Drivers of declining CO2-emissions in 18 developed countries“.   

 

Ein zentraler Grund für das erfreuliche „Decoupling“ besteht darin, dass auch sogenannte Billiglohnländer, in die die Warenproduktion seit Jahrzehnten verlagert wird (Bangladesch, Vietnam, aber auch Osteuropa), mittlerweile ebenfalls Produktion und Wachstum von steigendem Naturverbrauch entkoppeln können. In den reichen OECD-Ländern, die seit den 1970er Jahren Outsourcing betreiben und die Automatisierung vorantreiben, waren die Entkopplungstendenzen entsprechend deutlich früher feststellbar. Insgesamt 33 Länder der Welt und 1,2 Milliarden Einwohner sind sind mittlerweile an der Entkopplung beteiligt. Das gibt Hoffnung, dass die Dekarbonisierung bis 2050 gelingt.

 

„Decoupling“ bedeutet im Grunde also nichts anderes, als dass die Energieintensität des Bruttosozialprodukts (BIP) schneller fällt als das BIP in nackten Zahlen ansteigt. Ein gutes Beispiel ist ausgerechnet der weltweit zweitgrößte CO2-Emitent, die USA: hier erreichten die CO2-Emissionen bereits im Jahr 2005 ihren Höhepunkt (berücksichtigen wir nur die vor Ort in den Vereinigten Staaten erzeugten Emissionen). Durch Produktionsauslagerung, Automatisierung und schrumpfende Industrieproduktion hat sich die Energieintensität des US-Wachstums in diesem Zeitraum um fast ein Viertel reduziert, während das Wachstum um 29 Prozent anstieg. 

 

Hierzulande fallen die Zahlen noch erfreulicher aus. Denn vier Fünftel des CO2-Rückgangs in der Bundesrepublik seit der Maueröffnung 1990 sind auf eine weniger energieintensive Produktion zurückzuführen. Erstaunlich: Bislang nur ein Fünftel des Rückgangs geht auf die Nutzung regenerativer Energien zurück. 

 

Die vielleicht noch bessere Nachricht: Auch die CO2-Emissionen derjenigen Billiglohn-Länder, in denen in letzter Zeit die Produktion – gerade auch von dem neuen "Hochlohnland" China weg - verlagert wurde (beispielsweise Indien und Vietnam), nehmen ebenfalls deutlich ab. Das heißt mit anderen Worten: Auf den Emerging Markets (und mit Indien dem künftig bevölkerungsreichsten Land der Welt!) ging die Modernisierung in den vergangenen Jahren deutlich weniger CO2-intensiv vonstatten als im 20. Jahrhundert im Westen.