· 

Autonomous Delivery: Wie selbstfahrende Autos den Handel retten könnten

Foto: Screenshot YouTube/Tony Seba
Foto: Screenshot YouTube/Tony Seba

Lieferung frei Haus, egal ob Amazon-Pakete oder Pizza vom Lieblingsitaliener, ist schwer angesagt. Der Konkurrenzdruck in diesem teildigitalen Geschäft (per App bestellen, Lieferung erfolgt von Menschenhand) ist jedoch ebenfalls sehr hoch und der Wettbewerb nicht selten ruinös. Der kürzlich angekündigte Komplettrückzug des Bringdienstes Deliveroo aus Deutschland erfolgte wenige Monate nach einem großen Deal der Konkurrenz. Der Rivale Takeaway aus den Niederlanden, der im deutschen Markt zuletzt stark gewachsen war, verleibte seiner Marke Lieferando das Deutschland-Geschäft von Delivery Hero ein. Damit gehören zu dem internationalen Konglomerat auch Marken wie Lieferheld, Pizza.de und Foodora.

Shopping-Malls verlieren Anziehungskraft
Shopping-Malls verlieren Anziehungskraft

Und die Branche steht unter erheblichem Innovationsdruck. Grund dafür ist die beschleunigte digitale Welt: Wer in Zukunft online ordert, erwartet seine Einkäufe noch am selben Tag. Bislang behelfen sich die Händler mit Fahrrad-Kurierdiensten wie Postmates oder Doordash. Auch große Logistikanbieter wie FedEx oder UPS versuchen am Markt der Nachhauselieferung mitzuhalten. Aber mit ihren großen dieselbetriebenen Lieferfahrzeugen und Fahrern sind sie nicht wirklich konkurrenzfähig für Wocheneinkäufe. Das gilt ebenso für Uber oder Lyft, die zurzeit ein massiges SUV mit Fahrer für die Einkaufstüte losschicken. Und selbst Amazons Lieferdienst „Amazon Fresh“ ist mit seinen Lieferwagen in San Francisco kaum noch auf den Straßen zu sehen.

Asien gibt den Takt vor bei dem Zukunftsmarkt autonome Bringdienste

Asien ist besessen von digitalen Serviceideen. Und asiatische Unternehmen versprechen sich bei den selbstfahrenden Zustellsystemen den ersten Platz in der Logistik der Zukunft (Transport von Menschen und Waren). Asiatische e-Commerce-Giganten wie JD.com oder Alibaba suchen schon jetzt händeringend Lösungen, um gigantische Kundenmengen in den riesigen Millionenstädten und in unüberschaubar großen Wohnblocks zuverlässig zu beliefern. Momentan steht hier vor allem die autonome Zustellung über Packstationen im Vordergrund. Beide Unternehmen experimentieren darüber hinaus seit längerem mit autonomen Lkws und Drohnen, die demnächst in ländlichen Regionen zum Einsatz kommen sollen. 

 

Aber ist das alles überhaupt ökologisch vertretbar? Schauen wir in die USA, um den Zukunftsmarkt der autonomen Bringdienste besser einschätzen zu können. Nach Berechnungen der US-Regierung, die vom „Bureau of Transportation Statistics“ veröffentlicht wurden, unternehmen die Amerikaner insgesamt rund 1,1 Milliarden Autofahrten pro Tag. Von diesen Fahrten entfallen fast 45 Prozent auf Lebensmitteleinkäufe und ähnliche kleine Besorgungen. Nicht zuletzt aus Nachhaltigkeitsgründen eine besorgniserregende Zahl. Rechnet man die Zahl auf Jahresbasis, ergeben sich gigantische 181 Milliarden Autofahrten pro Jahr, nur um mal schnell für Zigaretten oder Kekse um die Ecke zu fahren.

 

Eines ist jetzt schon klar, den bedrohten Status des (Lebensmittel-)Einzelhandels könnte der Sprung in die Welt der autonomen Bringdienste fundamental verändern. In dieser Welt gäbe es wohl auch keine Beweggründe mehr, mit dem Privat-Pkw auf die grüne Wiese zum Wochenendeinkauf zu fahren. Die positive Umweltbilanz dieses Innovationsschrittes liegt, wie wir gesehen haben, auf der Hand. 

 

Entgegen kommt dieser Entwicklung ein aktueller Trend im Handel: Gerade in den USA zeigt sich seit Jahren schon, dass die Kundenfrequenz in den traditionellen Shoppingmalls zurückgeht. Der klassische Wochenendeinkauf stirbt langsam aber sicher aus, und nicht nur in den Vereinigten Staaten. 

 

Der Einzelhandel selbst könnte durch die neue Generation der selbstfahrenden Bringdienste aus dem Abwärtsstrudel gerettet werden. Denn wer die Menschen klimagerecht und persönlich zuhause beliefert, der könnte dadurch möglicherweise auch der Durchmarsch von Amazon im e-Commerce und vor allem im Lebensmitteleinzelhandel (Amazons Kooperation mit dem Biohändler Whole Foods Market) verhindern. Wohngebiet-nahe Supermärkte oder Läden würden als Shopping- und Verteilzentren zugleich fungieren. Von hier aus würden die großen Warenlieferungen (die früheren Wochenendeinkäufe) mit den autonomen Bringdiensten vor die Haustüren der Verbraucher geschickt, während die Verbraucher  die Wahl haben, entweder in diese neuen Einkaufszentren zum Genusseinkauf aufzubrechen oder andere Läden, Stadtteile oder Märkte dafür anzusteuern. 

Fazit: Den Bedürfnissen der Kunden, das lässt sich für Europa, Nordamerika und Asien sagen, kommt diese neue Einkaufswelt durchaus entgegen. Untersuchungen in mehreren europäischen Ländern zeigen, dass Kunden in Pkws (entgegen den Erwartungen der meisten Einzelhändler!) eben nicht wertvoller sind und mehr Geld ausgeben als Kunden, die zu Fuß oder mit dem Rad kommen. Die große Veränderung, die sich durch die autonome Zustelllogistik einstellen würde, bestünde darin, dass der Privat-Pkw für den Einkauf schlicht nicht mehr gebraucht würde. Ob wir das tatsächlich wollen, müssen wir in den nächsten Jahren entscheiden.