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Mythen des 20. Jahrhunderts: Warum der Handel die Bedeutung von Autofahrern (und Parkplätzen) überschätzt

Autofreie Innenstädte ruinieren nicht den örtlichen Handel, ganz im Gegenteil. In Studien tritt dagegen etwas anderes zutage: Gerade der vom Strukturwandel gequälte Einzelhandel schaut mit einem automobilen Mindset auf die Welt.

Selbst in einer Metropole wie New York hat ein vorsichtiges Zurückdrängen des Autoverkehrs schnell für positive Umsatzentwicklungen im örtlichen Handel gesorgt. In New York City wurde in den vergangenen Jahren eine Menge sichere Radwege gebaut. Das Resultat ließ sich schnell ablesen, der stationäre Handel wurde dadurch in kürzester Zeit angekurbelt: Geschäfte auf der 9th Avenue zwischen 21. und 23. Straße meldeten ein Umsatzwachstum von 49 Prozent (Zuwachs im gesamten Bezirk: drei Prozent).

 

Und in Deutschland ist das nicht anders als in Big Apple. Die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. (AGFK Bayern) hat eine Broschüre zum Thema Radverkehr als Wirtschaftsfaktor rausgegeben. In WirtschaftsRad: Mit Radverkehr dreht sich was im Handel hat die Arbeitsgemeinschaft verschiedene internationale Studien gebündelt und macht deutlich, dass sich eine konsequente Radverkehrsförderung positiv auf den örtlichen Handel auswirkt und eben nicht zu Einbußen führt, wie viele Einzelhändler noch immer befürchten.

 

Die AGFK stellt zunächst einmal völlig richtig heraus, dass der innerstädtische Einzelhandel durch autogerechte Verbraucherparks auf der „grünen Wiese“ und den Onlinehandel stark unter Druck geraten ist. Hier müssen Gegenmittel gefunden werden. Die Stadt autogerecht zu gestalten, kann nicht der richtige Weg sein, da sie nie so autogerecht sein kann, wie der Verbraucherpark auf der grünen Wiese. Mit Hinblick auf das heutige „Shoppen“, das „oft auch Freunde treffen, Kaffee trinken und Essen gehen oder sich einfach durch die Stadt treiben lassen“ impliziert, müssen der Einzelhandel und die Innenstadt an sich also an ihrer Attraktivität arbeiten.

 

Studien zum Einkaufsverhalten in Innenstädten zeigen, dass nur knapp ein Drittel der Passanten gezielt einkauft. Die Mehrheit agiert stattdessen spontan und nutzt die Möglichkeiten, die sich ihr bieten. Je mehr Geschäfte passiert werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Impulskaufs. Auf Grund geringer Geschwindigkeiten und der unmittelbaren Sinneserfahrung gilt dies besonders für Fußgänger und Radfahrer, wenn ihnen einladende Umgebung zur Verfügung gestellt wird. 

 

Europäische Studien zeigen außerdem, dass der Einzelhandel die Bedeutung des Autos für die Anfahrt seiner Kunden viel zu hoch einschätzt und die des Fahrrades teilweise deutlich unterschätzt. Es kommen viel mehr Kunden zu Fuß oder mit dem Rad und viel weniger mit dem Auto als angenommen. (Laut ECF kommen sogar noch zwei Prozent mehr mit dem Fahrrad.)

 

Darüber hinaus kann eine Verkehrsberuhigung und Radverkehrsförderung den Einzelhandel lokal sogar (wieder-) beleben. Noch einmal New York: Hier ist nach der Durchführung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und dem Neubau von Radwegen ebendiese Entwicklung belegt. Der Leerstand ging um über 45 Prozent zurück, das Radverkehrsaufkommen verdoppelte sich und der Umsatz bestehender Geschäfte stieg aufgrund der höheren Aufenthaltsqualität und gerechteren Flächenverteilung um 43 Prozent.

 

Dass Radfahrer weniger Geld ausgeben, ist auch schon mehrfach widerlegt worden. Die AGFK stellt fest, dass Radfahrer deutschlandweit im Jahresdurchschnitt die höchste Kundenrentabilität bieten und dem Einzelhandel 7.500 Euro pro Quadratmeter, Autofahrer nur 6.625 Euro pro Quadratmeter bereitgestelltem Parkraum bringen. Autofahrer geben zwar mehr Geld pro Besuch aus, Radfahrer kommen dafür aber öfter ins Geschäft und geben in der Summe mehr Geld aus.