
Liebe Freundinnen und Freunde der Zukunft,
es widerspricht jeder weltoffenen Haltung: Protektion, Abgrenzung, Eingrenzung, die Schließung von Märkten. Aber seit Jahren fließen Milliarden an Investitionen für öffentliche Aufträge zu Konzernen in den USA. Mehr als 80 Prozent unserer digitalen Infrastrukturen in Europa werden importiert. Die Daten, die über öffentliche Ausschreibungen in europäischen Städten und Kommunen erzeugt werden, sind häufig gar nicht nutzbar. Die US-Konzerne machen die Daten gerne verfügbar, das kostet dann aber zusätzlich. Aber wer kauft gerne seine eigenen Daten?
Die Verwaltungen, die anhand solcher Daten beispielsweise die Daseinsvorsorge der Bürger:innen (Strom, Wasser, Wärme, Mobilität, Müll…) besser organisieren könnten, haben häufig überhaupt keine Zugriffsrechte.
Francesca Bria ist eine international ausgewiesene Expertin für Datensouveränität und weitere Aspekte des Megatrends Digitalisierung. Sie fordert, dass im EU-Raum bis 2030 mindestens die Hälfte der öffentlichen Aufträge an vertrauenswürdige EU-Anbieter gehen sollte. Seit Putin 2022 die Ukraine angriff, wissen wir, dass praktisch alle Ressourcen, speziell technologische, die Grundvoraussetzung für geopolitische Souveränität sind. Bria spitzt das im Gespräch mit dem Handelsblatt weiter zu: „Wenn Krankenhäuser, Gerichte und Universitäten über amerikanische oder chinesische Clouds laufen, regieren wir sie nicht selbst. Es gibt keine strategische Autonomie ohne digitale Souveränität.“
Aber wie sieht denn dann ein (digitaler) Zukunftsentwurf für Europa aus?
Sind europäische Autonomie und Souveränität angesichts eines unzuverlässigen, in eine autoritäre Techno-Oligarchie taumelnden (Ex-)Partners USA dann überhaupt noch möglich? Direkt gefragt: Wie sieht das Geschäftsmodell für Europa in den kommenden Jahren aus? Bria gibt drei wichtige Handlungsempfehlungen:
1. Nach wie vor bieten die Digitalisierung, das Internet (und was die Sprachmodelle in den kommenden Jahren aus dem www. machen) faszinierende Möglichkeiten, Wirtschaft und Gesellschaft, Unternehmen, Städte und Kommunen neu zu organisieren. Nur: „Wir müssen diese Vorteile nutzen, um KI für Klima, Gesundheit und Städte zu entwickeln – und nicht für Klicks (Silicon Valley) oder Kontrolle (China)", fordert Bria.
2. Als Gesellschaft müssen wir die neuen Technologien mit einer möglichst präzisen Vision auf den Weg bringen. Das heißt: Aufbau von KI im öffentlichen Interesse, verwurzelt in Demokratie, gemeinsamem Wohlstand und unserem Sozialmodell.
3. Der europäische Weg in die Digitalisierung bedeutet: Den Aufbau einer KI in öffentlichem Interesse. Damit werden insbesondere die folgenden kritischen Infrastrukturen angepeilt: Gesundheitsversorgung, Bildung, Mobilität und Energie.
Ausgestattet mit diesen drei Ideen beschreitet Europa dann einen „dritten Weg“ in die Zukunft, basierend auf öffentlichem Vertrauen, demokratischer Legitimität und rechtlicher Verbindlichkeit. KI würde dann tatsächlich der Gesellschaft und nicht nur den Plattformen dienen.
Bleiben Sie hellwach!
Dr. Eike Wenzel